Die Bischöfin von Rom
und ich habe mich entschlossen, es ohne Furcht anzunehmen!« entgegnete Branwyn mit fester Stimme. Sie zögerte kurz, dann fügte sie hinzu: »Aber etwas anderes bedrückt mich. Ich kann mir nicht vorstellen, wie es mir gelingen soll, Einfluß auf die Geschehnisse in Rom zu nehmen. Ich meine, dort werde ich doch nur eine unbedeutende junge Frau aus der entlegensten Provinz des Reiches sein …«
»Du darfst deine weibliche Stärke nicht geringschätzen!« unterbrach Bendigeida. »Sie kann auf ihre Art oft mehr bewirken als die Machtmittel, welche gewisse Männer einsetzen.«
»Das ist wahr!« bestätigte Saray, während ihr Gemahl nachdenklich dazu nickte. »Außerdem wirst du ganz bestimmt nicht allein stehen. Es gibt viele Menschen in der römischen Metropole, denen die Entwicklungen dort ein Dorn im Auge sind. Erinnere dich an den Brief unseres Glaubensbruders in Gallien, in welchem die Rede vom haßerfüllten Vorgehen des Papstes Liberius gegen andersdenkende Christen sowie Juden und Heiden war. Das heißt aber doch umgekehrt, daß sich starker Widerstand gegen das Patriarchat regt, und in den Reihen dieser Getauften und Ungetauften, die für friedliches Miteinander eintreten, wirst du sicherlich Verbündete finden.«
»Sie werden dich schützen und fördern«, unterstrich Danyell. »Mit solchem Rückhalt wiederum kannst du sodann eine wichtige Vorkämpferin für jene Werte werden, an denen uns liegt.«
»Wahrscheinlich ist das der Pfad, welcher dir vorgezeichnet wurde«, bekräftigte Bendigeida. Anschließend wollte sie von dem Priesterpaar wissen: »Habt ihr irgendwelche Verbindungen nach Rom, die nützlich sein könnten?«
»Leider nicht«, erwiderte Saray bedauernd.
»Und wie verhält es sich mit eurem gallischen Freund?« fragte die Pendruid nun. »Könnte er vielleicht weiterhelfen?«
»Das wäre eine Möglichkeit«, entgegnete Danyell. »Er pflegt Kontakte zu einer Gemeinde toleranter Christen in der Tiberstadt.«
»Nur ist es uns derzeit verwehrt, eine briefliche Auskunft von ihm einzuholen«, kam es von Saray. »Seit die Herbststürme eingesetzt haben, verkehren keine Schiffe mehr zwischen Britannien und dem Festland, und das wird bis zum Frühling so bleiben.«
»Aber ich könnte diesen Mann aufsuchen, nachdem ich in Gallien gelandet bin«, äußerte Branwyn. »Wo lebt er denn?«
»Die Stadt heißt Samarobriva und liegt etwa zehn Tagesreisen nördlich von Lutetia, das du auf deiner Reise nach Italien auf jeden Fall passieren mußt«, gab Danyell ihr Auskunft. »Der Umweg wäre also nicht allzu groß.«
»Dann werde ich zunächst nach Samarobriva gehen«, erklärte Branwyn.
»Ja, das solltest du tun«, pflichtete Saray ihr bei. »Unser Glaubensbruder kann dir nicht nur wichtige Hinweise geben, sondern dich wahrscheinlich auch anderweitig unterstützen, damit du jenseits des Meeres nicht völlig auf dich allein gestellt bist …«
Während sie die letzten Worte sagte, wurden ihre Augen feucht; jetzt griff sie nach Branwyns Hand und fügte hinzu: »Doch ehe wir uns voneinander verabschieden müssen, wird gottlob noch geraume Zeit verstreichen, denn erst in ungefähr fünf Monaten, wenn die Frühjahrsstürme abgeflaut sind, nehmen die Seeleute die Schiffahrt wieder auf.«
»Auch ich bin sehr froh, daß ich euch und die Insel von Avalon nicht sofort verlassen muß«, gab Branwyn, in deren Augenwinkeln es nun ebenfalls feucht schimmerte, leise zu. »Vor wenigen Tagen glaubte ich schließlich noch, ich würde für immer im Apfelhain bleiben, und jetzt plötzlich …«
Sie brach ab; unvermittelt hatte sie das Gefühl, auch Dyara, Alba und die anderen Druidinnen säßen mit am Tisch: die Frauen, die ihr ähnlich wie Saray und Danyell so viel Freundschaft und Zuwendung geschenkt hatten.
Für einen Moment hatte sie das Empfinden, als würde der Schmerz über die bevorstehende Trennung sie überwältigen, aber dann vernahm sie Bendigeidas Worte: »Wir alle werden im Geiste bei dir sein, wenn du die Aufgabe erfüllst, die dir übertragen wurde – und vielleicht kehrst du ja eines Tages auf die Ynys Avallach zurück.«
»Das werde ich, sofern Ceridwen und das Adonai es wollen«, flüsterte Branwyn; gleich darauf spürte sie, wie ihr aus dieser Hingabe neuer Mut erwuchs.
Drittes Buch Gallien
Die Felder der Gewalt
Frühjahr bis Frühwinter 356
Der Tribun
Mit erregten Schreien kreisten Möwen über den Klippen; gelegentlich löste sich einer der Vögel aus dem Schwarm und stieß
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