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Die Bischöfin von Rom

Die Bischöfin von Rom

Titel: Die Bischöfin von Rom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Böckel
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siebten Wandertages sagen, daß ihr Ziel jetzt wohl nicht mehr sehr weit entfernt sein könne. Tatsächlich wurden die Hügelketten im Lauf des Vormittags flacher und gaben zuletzt den Blick auf die Flußebene im Norden frei, welche der Kapitän ihr beschrieben hatte. Tief aufatmend blieb die junge Frau stehen und spähte in die weite Niederung hinab; nach einer Weile glaubte sie, unter dem östlichen Horizont die Kontur einer Stadtmauer zu erkennen. Da sie jedoch nicht völlig sicher war, beschloß sie, entlang des sich sachte absenkenden Höhenzuges, auf dem sie sich befand, noch ein Stück gen Sonnenaufgang zu gehen, ehe sie in das Stromtal hinabstieg. Sie folgte dem Kamm, bis es keinen Zweifel mehr gab; vor ihr lag Samarobriva, und sie würde, falls keine unvorhergesehene Verzögerung mehr eintrat, bis zum Mittag dort ankommen.
    Branwyn verließ den Höhenrücken, folgte einem ausgetrockneten Bachlauf und erreichte wenig später die Flußniederung. Durch lockeres Auengehölz und immer in einigem Abstand zum sumpfigen Stromufer kam sie gut nach Osten voran, nur einmal zwang ein Altwasser sie zu einem kleinen Umweg. Einige Steinwürfe jenseits des toten Flußarmes trat der Auwald zurück und machte gerodetem Land Platz, zwischen den Ackerfurchen tummelten sich Saatkrähen. Beim Näherkommen der jungen Frau flog der Schwarm auf; krächzend schwirrten die großen Vögel der Stadt entgegen, über deren Dachgiebeln nun schon Rauchgekräusel auszumachen war.
    Nachdem Branwyn die Felder auf einem Trampelpfad umgangen hatte, nahm ein Mischwald sie auf, der eine langgezogene, von den Hügeln zum Strom verlaufende Bodenfalte bedeckte. An manchen Stellen sah die junge Frau Stapel von frischgeschlagenem Nutzholz; die Aussicht auf Samarobriva hingegen war ihr unter den Kronen der Linden, Ulmen, Birken und Kastanien verwehrt. Aber bereits nach wenigen hundert Schritten lichtete sich der Forst wieder; an einer mächtigen Rüster vorbei trat Branwyn ins Freie, und jetzt lag die Stadt fast zum Greifen nahe vor ihr. Lediglich eine ausgedehnte, in etwa ein Dutzend Karrees unterteilte Ackerfläche, durch die sich ein breiter, zu einer Landebrücke am Fluß führender Fahrweg schlängelte, trennte sie noch von der Quadermauer mit ihren regelmäßig angeordneten Türmen und dem von einer Bastion geschützten Westtor.
    Gleich habe ich es geschafft, dachte die junge Frau; unmittelbar darauf stutzte sie, weil ihr bewußt wurde, daß dort drüben trotz der Qualmschleier über den Dächern und verschiedener gedämpft herandringender Geräusche alles wie ausgestorben wirkte. Im selben Augenblick, da ihr diese Erkenntnis durch den Kopf schoß, hatte sie das Gefühl, als würde eine eisige Hand ihr Rückgrat berühren – mit dem nächsten Herzschlag erblickte sie ein barbarisches Bild, das ihr das Blut in den Adern gefrieren ließ.
    ***
    Jäh wirbelte schräg hinter der Torbastion, wo eben noch eine der scheinbar harmlosen Rauchwolken gehangen hatte, ein rotglühender Funkenregen empor. Während die Lohe sich rasch über die benachbarten Dächer ausbreitete, preschten Reiter um die dem Strom zugewandte Ecke der Stadtmauer: zuerst mehrere kleinere Trupps, dahinter ein Pulk von wenigstens dreihundert Mann. In voller Karriere jagten sie gegen den Waldrand heran, wo Branwyn sich zitternd an den Stamm der Rüster drückte. Die junge Frau wollte fliehen, doch die Glieder versagten ihr den Dienst; wie gelähmt starrte sie den berittenen Kriegern mit den flatternden Haarmähnen entgegen, auf deren Helmen und Blankwaffen sich das grelle Sonnenlicht widerspiegelte.
    Dann hallten dumpf heulende Hornstöße über die Ebene und mischten sich mit metallischen Fanfarensignalen, die von Samarobriva herüberdrangen. Sie ertönten nahe der Stelle, wo hinter der Stadtmauer die Feuersbrunst wütete; nun wurden außerhalb der Umwallung und ebenso vor dem plötzlich offenen Westtor weitere starke Reiterverbände sichtbar. In schnellem Galopp vereinigten sich diese beiden Trupps, die an ihren Feldzeichen als Römer kenntlich waren, zu einer zangenartigen Angriffsformation; gleichzeitig vollführte das vor ihnen befindliche Heer einen Schwenk und bildete einen Keil, um sich den Verfolgern zu stellen. Erneut erklang das archaische Heulen der Hörner und das Schmettern der Fanfaren; wenig später prallten die Gegner aufeinander, und das Waffenklirren, das angstvolle Wiehern der Pferde und die gurgelnden Todesschreie erfüllten weithin das Flußtal.
    Trotz des

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