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Die Bischöfin von Rom

Die Bischöfin von Rom

Titel: Die Bischöfin von Rom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Böckel
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neugierig auf die Barke herunter, die soeben vom Ufer abgelegt hatte. Der Segler war klein, er besaß einen einzigen kurzen Mast und maß vom Bug bis zum Heck nicht mehr als zwanzig Schritte. Nur der hintere Teil des Schiffsrumpfs war abgedeckt; weiter vorn, wo die Verplankung fehlte, häuften sich fettig glänzende Ballen Rohwolle und Packen von Hirsch- und Damwildfellen. Dazwischen hatten die vier Matrosen, die unter dem Befehl des hünenhaften Kapitäns standen, Dutzende Fässer mit Metheglyn festgezurrt, und in einem Verschlag mittschiffs war ein junger Zuchtbulle angekettet.
    In regelmäßigen Abständen drang sein Brüllen zum Achterdeck, wo Branwyn sich einen möglichst geschützten Platz gesucht hatte. Sie drückte sich in einen Winkel der Reling, klammerte sich an ein Tau und blickte über das stampfende Heck zum Strand. In der Hafenbucht am Fuß der Kliffs konnte die junge Frau noch immer die Gesichter Bendigeidas, Dyaras sowie der beiden Männer erkennen, welche die Druidinnen und sie auf der einwöchigen Wanderung von Avalon zur Küste begleitet hatten. Jetzt nahm Dyara ihr Halstuch ab und ließ es im frischen Aprilwind flattern; Branwyn winkte zurück, erst als die Gestalten am Ufer nicht mehr auszumachen waren, hielt sie inne. Aber nach wie vor harrte sie neben dem Achtersteven aus und schaute mit brennenden Augen zur langsam im Meer versinkenden Silhouette der britannischen Küste hinüber: so lange, bis das Land im Dunst über der Kimmung verschwand.
    Eineinhalb Tage später lief der Einmaster – er war die ganze Zeit ohne größere Zwischenfälle in südöstliche Richtung gesegelt – in eine weite Strommündung ein. Diesmal stand die junge Frau am Bug; sie sah das flache Gestade mit seinen Dünenkämmen und vereinzelten Kusselwäldchen näherkommen und erspähte, als die Flußufer allmählich zusammentraten, da und dort schilfgedeckte Fischerhütten.
    Schließlich tauchte hinter einer Biegung des noch immer breiten Gewässers ein Dorf auf, das von einem Palisadenzaun umgeben war; an der Stelle, wo sich ein Tor in der Umwallung befand, sprang ein Landesteg vor. Der Kapitän ließ die Barke ein Stück an der Siedlung vorbeilaufen, dann legte er das Steuerruder herum. Das Schiff schor in die Gegenströmung, die Leinwand am Mast begann zu flappen, doch der Winddruck reichte aus, um die Barke nahe an den Strand oberhalb des Dorfes heranzubringen. Dort holten zwei Matrosen rasch das Segel ein, die beiden anderen griffen zu langen Staken; gleich darauf berührte der jetzt sachte stromab treibende Schiffsrumpf den Kai, wo bereits mehrere Männer warteten, um die Seile aufzufangen, die ihnen zugeworfen wurden.
    Nachdem die Taue an den Eichenpollern festgemacht waren, zog Branwyn ihr Plaid enger um die Schultern, griff nach dem verschnürten Reisebündel und sprang von der schwankenden Bugplattform auf den Steg hinüber. Weil sie beim Aufkommen strauchelte, haschte einer der schnauzbärtigen Gallier nach ihrem Arm und stützte sie; als sie sich bei ihm bedankte und er ihr antwortete, stellte sie fest, daß seine Sprache sich kaum vom britannischen Keltisch unterschied. Diese Erkenntnis machte ihr die Ankunft in dem fremden Land leichter; plötzlich freute sie sich sogar darauf, es während der folgenden Monate näher kennenzulernen.
    Die junge Frau wartete ab, bis der Zuchtbulle glücklich an Land gebracht und der für diesen Handelsplatz bestimmte Teil der Schiffsladung gelöscht war. Danach begab sie sich zusammen mit den Seeleuten, die am nächsten Tag stromauf bis Lutetia weiterfahren wollten, zur Herberge der Ansiedlung. Dort beschrieb der Kapitän ihr den Weg, den sie nehmen mußte, um nach Samarobriva zu gelangen.
    »Am besten schließt du dich morgen früh zunächst den beiden Burschen aus dem hiesigen Dorf an, welche den Stier zu seinem neuen Besitzer bringen«, riet er Branwyn. »Der Gutshof, für den der Bulle bestimmt ist, liegt ungefähr einen Tagesmarsch von hier entfernt. Wenn ihr ihn erreicht habt, befindest du dich bereits am Rand des flachen Hügellandes, das du sodann in seiner ganzen Breite durchqueren mußt. Grundsätzlich hältst du, so gut eben möglich, immer die Richtung nach Ostnordost ein. Gelegentlich wirst du wahrscheinlich auf ein Gehöft oder einen Hirten stoßen, so daß du Hilfe und genauere Wegweisung finden kannst. Nach sechs bis sieben Wandertagen endlich solltest du abermals ein breites Flußtal vor dir sehen, und dort, wo dieser Strom am weitesten nach Süden biegt,

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