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Die Bischöfin von Rom

Die Bischöfin von Rom

Titel: Die Bischöfin von Rom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Böckel
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erheben sich die Mauern und Türme der Römerstadt, welche dein Ziel ist.«
    Die junge Frau bedankte sich für die wertvollen Ratschläge und winkte den Tavernenwirt herbei, damit er dem Kapitän noch einen Krug mit Apfelwein bringen sollte. Branwyn bezahlte die Zeche aus dem Beutel mit den Silbermünzen, den die Druidinnen der Ynys Avallach ihr mitgegeben hatten; zusätzlich bat sie den Inhaber der Herberge, einen Tragesack mit haltbarem Reiseproviant für sie vorzubereiten.
    Am Abend suchte sie früh ihr Lager in einer Kammer über dem Schankraum auf; dort freilich lag sie noch eine ganze Weile wach und überlegte, ob es wirklich richtig war, die Wanderung nach Samarobriva von jenem Gutshof aus ohne Begleitung zu unternehmen. Letztlich mußte sie sich jedoch sagen, daß ihr gar keine andere Wahl blieb, denn sie hatte bereits am Nachmittag versucht, einen Führer zu dingen und dabei erfahren, daß wegen der unmittelbar bevorstehenden Aussaat auf den Feldern niemand für längere Zeit abkömmlich war. Da die Dorfbewohner ihr aber andererseits versichert hatten, der Weg sei ungefährlich, überwand sie am Ende das leichte Unbehagen, das sie in dem dunklen, ein wenig stickigen Raum befallen hatte. Ich kann es ohne Schwierigkeiten schaffen, schließlich überstand ich nach meiner Flucht von der Ynys Vytrin einen ganzen Herbst und Winter ohne fremde Hilfe, redete sie sich ein; der Gedanke beruhigte sie und ließ sie nun auch Schlaf finden.
    ***
    Kurz nach Sonnenaufgang verließ Branwyn an der Seite der beiden Burschen, die den Zuchtstier zwischen sich führten, die Ansiedlung. Da der Bulle, der offenbar froh war, wieder festen Boden unter den Hufen zu haben, willig mitlief, konnten alle drei den Weg durch die Marschlandschaft genießen. Der Tag war sonnig, und der leichte Wind, der von der See herüberstrich, roch belebend nach Salz und Tang. Die jungen Gallier unterhielten ihre Begleiterin mit Geschichten aus der Gegend oder scherzten mit ihr; während der mittäglichen Rast an einem Bachlauf zog einer von ihnen eine Flöte hervor und blies eine einfache Melodie, deren ungekünstelte Tonfolgen der Weite und Ruhe des Schwemmlandes entsprachen.
    Als sie am Spätnachmittag ausgedehnte, von Hecken umsäumte Weiden passierten und dann der Gutshof vor ihnen auftauchte, bedauerte Branwyn beinahe, daß sie ihr Ziel schon erreicht hatten. Doch der freundliche Empfang auf dem großen landwirtschaftlichen Anwesen, das von einer seit vielen Generationen hier lebenden gallorömischen Familie und deren Hintersassen bewirtschaftet wurde, entschädigte sie. Wo sie die Römer in Britannien stets nur als Feinde und Unterdrücker kennengelernt hatte, traf sie hier auf friedliche und warmherzige Bürger des Imperiums, die sie ohne weitere Umstände zum Abendessen ins Herrenhaus einluden. Im Gespräch mit dem etwa vierzigjährigen Gutsbesitzer, dessen Gemahlin und den älteren Kindern gebrauchte Branwyn zur Freude ihrer Gastgeber teilweise die lateinische Sprache, in der sie einst auf der Ynys Vytrin von Vater Jacwb unterrichtet worden war, und erstaunlich schnell wurden ihr die Wörter und Redewendungen wieder geläufig.
    Das Wissen darum gab ihr Mut für die Zukunft; sie würde sich bestimmt auch in den Städten weiter im Osten sowie am Ende ihrer Reise in Rom behaupten können. Vorerst allerdings mußte sie Samarobriva erreichen; beim Abschied am nächsten Morgen ließ sie sich den ersten Wegabschnitt durch das Hügelland noch einmal beschreiben und marschierte dann entschlossen los.
    Nachdem sie die Ländereien des Gutshofes hinter sich gebracht hatte, begegnete sie den ganzen Tag über keinem Menschen mehr. Rechtzeitig vor Einbruch der Nacht suchte sie einen geschützten Lagerplatz am Ufer eines Teiches, entfachte ein Feuer und bereitete sich in dem kleinen Kochkessel, den sie bei sich hatte, einen kräftigen Eintopf aus geschroteter Gerste und kleingeschnittenem Rauchfleisch zu. Ähnlich hielt sie es am folgenden Abend; die dritte Nacht verbrachte sie unter dem Dach eines bescheidenen Bauernhauses, das von einem betagten keltischen Ehepaar bewohnt wurde. Die beiden alleinstehenden alten Leute empfahlen ihr einen Pfad, der sie zu den Schafhürden eines Verwandten führen würde; dankbar folgte Branwyn dem Steig und fand auf diese Weise neuerlich Gastfreundschaft an einer warmen Herdstelle.
    Dann freilich war sie wieder auf sich allein gestellt, schlief zwei weitere Male unter freiem Himmel und durfte sich schließlich am Morgen ihres

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