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Die Bischöfin von Rom

Die Bischöfin von Rom

Titel: Die Bischöfin von Rom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Böckel
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Überlebenden mehr angetroffen hätten. Verwüstet und völlig menschenleer läge der Landstrich da; wahrscheinlich hätten Raubhorden, die von weither über die See gekommen seien, zugeschlagen.
    Als die drei Frauen im Haus unter der Eibe davon hörten, konnten sie sich zusammenreimen, was mit den Angehörigen Branwyns geschehen war. Da die Kleine außerdem gelegentlich den himmelstürmenden Bergsporn und die gewaltigen Steinmauern auf einem der Gipfel ihrer ehemaligen Heimat erwähnte, vermutete Penarddun gegenüber Arawn und Kigva, Branwyn könnte nahe von Tre'r Ceiri aufgewachsen sein: der sagenhaften Stadt der Riesen. In späteren Jahren, nachdem Branwyn verständig genug geworden war, sprach Penarddun auch mit ihr über den geheimnisvollen Ort und erklärte ihr, daß die gewaltige Bergschroffe, an die sie sich erinnerte, wohl der Yr Eifl gewesen sein müsse, auf dessen Ostgipfel die zyklopischen Quader von Tre'r Ceiri lägen. Und dann konnte die Alte, die in der Geschichte des Landes außerordentlich gut bewandert war, von jener Jahrtausende zurückliegenden Epoche erzählen, in der Menhire, Cromlechs und Dolmen – und ebenso die gigantischen Felswälle um die Stadt der Riesen errichtet wurden. In Wahrheit freilich habe es sich bei den Erbauern von Tre'r Ceiri keineswegs um Hünen gehandelt, sondern vielmehr um Menschen, die sehr großes Wissen besessen hätten, also geistige Riesen gewesen seien.
    Die heranwachsende Branwyn lauschte solchen Geschichten hingerissen, und manchmal sehnte sie sich nach der Nordküste der Lleyn-Halbinsel, von der sie, wenn Penardduns Schlüsse zutrafen, stammte. Aber nie während ihrer Kindheit und Jugend ergab sich die Gelegenheit, eine Reise zum Yr Eifl zu unternehmen. Die Bewohner der Gläsernen Insel und des Dorfes Aberdaron scheuten den Weg dorthin, seit die Kunde von den zerstörten Ansiedlungen zu ihnen gelangt war, und auch Kigva, die früher weit in die Urwälder des Nordens gewandert war, schreckte nun vor dem Gedanken zurück, sich noch einmal in jene Gegenden zu wagen. Anfangs litt Branwyn gelegentlich unter dem Gedanken, das Land, wo ihre Eltern und sonstigen Angehörigen gestorben sein mußten, nicht und vielleicht nie wieder betreten zu können. Doch weil sie die innige Zuwendung ihrer Pflegemutter besaß und auch die beiden älteren Frauen stets für sie da waren, wurden solche Anwandlungen allmählich seltener.
    Zudem wurde Branwyn ab ihrem neunten Lebensjahr behutsam in die Weisheit der Göttin Ceridwen eingeführt und fand dadurch zusätzliche seelische Geborgenheit. Penarddun, Arawn und Kigva hatten schon sehr früh erkannt, daß ihr Schützling über eine Reihe jener Gaben verfügte, die eine Hüterin der Heiligen Quelle besitzen sollte, und hatten diese Talente zunächst unaufdringlich und spielerisch gefördert. Jetzt, da Branwyn das Alter erreicht hatte, in dem besonders geeignete Kinder auch anderswo in die Druidenschulen aufgenommen wurden, unterrichteten die drei Frauen das Mädchen täglich mehrere Stunden.
    Branwyn wurde in der Kräuterkunde ausgebildet und mit den besonderen Ritualen vertraut gemacht, die zusätzlich zu den gewöhnlichen keltischen Jahreskreisfesten an der Heiligen Quelle stattfanden. Die Heranwachsende lernte auch viel über die scheinbar so unterschiedlichen, aber in ihrem tiefsten Wesen dennoch innig miteinander verflochtenen Gottheiten, deren Wirken überall in der Natur und außerdem im friedvollen menschlichen Zusammenleben zu erkennen war. Ferner verbrachte Branwyn, zumeist in Gesellschaft Arawns, so manche Nacht im Freien, um den Lauf der Gestirne zu beobachten und sich die Namen der Planeten und Sternbilder einzuprägen.
    An anderen Tagen wieder wanderte Kigva, die die Kunst des Rutengehens beherrschte, mit ihr zu bestimmten uralten Steinsetzungen auf der Ynys Vytrin oder auf dem Festland. Wenn der Gabelzweig in der Nähe eines dieser Menhire ausschlug und Branwyn zur gleichen Zeit Kigvas Hand berührte, spürte sie plötzlich ein feines Prickeln auf ihrer Haut oder auch seltsame Veränderungen in ihrer Wahrnehmungsfähigkeit. Auf diese Weise begegnete sie den Erdkräften, die sich wie unsichtbares Geäder durch Fels und Humus zogen: die hier einen Baum in ungewöhnlicher Pracht gedeihen ließen, während an einem anderen dieser geheimnisvollen Plätze nur zwergenhaft verkrüppeltes Gesträuch sein Dasein fristete. So begriff Branwyn, daß manche Orte sehr gut, andere wiederum nicht für das pflanzliche und damit auch das

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