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Die Bismarcks

Die Bismarcks

Titel: Die Bismarcks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jochen Thies
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das Frühjahr und den Sommer hinweg verteilt. Etwa 50   Delegationen reisten in 35   Sonderzügen nach Friedrichsruh.
    Nur das Parlament vermochte es nicht, sich der beispiellosen Demonstration der Zuneigung und Anerkennung anzuschließen. Mit den Stimmen von Zentrum, Freisinnigen, Sozialdemokraten, Welfen und Polen lehnte der Reichstag den Antrag ab, dem Reichsgründer zum Geburtstag zu gratulieren. Besonders bitter war für Bismarck das Verhalten des Zentrums, das letztlich den Ausschlag gab. Denn selbst inmitten des »Kulturkampfes« hatte die Partei zehn Jahre zuvor der Glückwunschadresse an den Kanzler zu seinem 70. Geburtstag zugestimmt. Auch die Hauptstadt zeigte sich verhalten bis verklemmt. Der Kritiker Alfred Kerr notierte am 7.   April 1895, die Berliner »kritisieren mehr die Beleuchtung als den Anlass der Beleuchtung«. Im Vergleich zu romanischen Ländern fiel ihm auf, dass die illuminierte und überbordend ausstaffierte Stadt geistlos geschmückt war, ohne irgendwelche politische Anspielungen.
    Die Nation war hinsichtlich ihrer Bewertung und Würdigung des ehemaligen Kanzlers tief gespalten. Ein Teil von ihr glaubte, sich nur auf diese Weise vom Übervater trennen zu können. Der französische Botschafter war entsetzt und hart in seinem Urteil über die Deutschen: »Les Allemands diront et feront ce qu’ils voudront, il ne sera jamais un grand peuple«, sagte er – »Die Deutschen mögen sagen und machen, was sie wollen, sie werden nie ein großes Volk.« Theodor Fontane schrieb in einem Gedicht, das Sterben würde ihm jetzt nicht schwerfallen, aber er würde zuvor doch gern wissen, »wie das mit Bismarck werden wird«.
    Mehr als zwei Jahre später, am 16.   Dezember 1897, kurz vor Bismarcks Tod, kam es zu einem letzten, an Peinlichkeiten kaum zu überbietenden Besuch des Kaisers in Friedrichsruh. Wilhelm II. erzählte bei dem Abendessen im kleinen Kreis Kasernenhofwitze. Bismarck unterbrach ihn an einer Stelle mit der Bemerkung, dass der Monarch sich alles erlauben könne, »solange Sie dieses Offizierskorps haben«. Die Runde schwieg betreten. Schon zuvor hatte sich der mittlerweile alt gewordene Fontane über die geschichtsklitternden Reden des Kaisers empört und Bismarck in Schutz genommen. Der Exkanzler las zu dieser Zeit die berühmte Ballade von Gustav Schwab Der Reiter und der Bodensee und zog den Vergleich: Jener »wusste es nicht, dass er über das Eis ritt, und ich wusste es«.
    Einen glücklichen Moment hatte der Alte noch, als ihm Sohn Herbert die Geburt eines Stammhalters mitteilen konnte. Gemeinsam mit ihm suchte er in Friedrichsruh den Standort für seine Grabstätte aus. Als ihn Herbert darauf hinwies, dass diese nun am Eisenbahngleis liege, entgegnete Bismarck: »Desto besser. Dann ist doch noch Bewegung um mich.«
    Genauso wenig wie Bismarck von der Macht hatte lassen können, genauso schwer fiel ihm das Sterben. Seine letzten Jahre und Lebensmonate waren durch einen ständigen körperlichen Verfall gekennzeichnet, begleitet von starken Schmerzen. »Gib, dass ich meine Johanna wiedersehe«, sagte er in einem seiner letzten Gebete. Am 30.   Juli 1898, kurz vor elf Uhr, schlief Bismarck ein. Wenige Wochen zuvor hatte es europaweit die ersten internationalen Maifeiern gegeben. In Hamburg war es dabei zu Aussperrungen gekommen. Maximilian Harden, der bedeutendste Publizist seiner Zeit, der bei Bismarck ein- und ausgegangen war, brachte die Dinge wohl auf den Punkt, als er über den zeitlebens Umstrittenen sagte: »Er wusste nicht, wohin er ging, darum eben kam er am weitesten.«
    In seinem Testament hatte Bismarck verfügt, nicht im Berliner Dom, sondern in einem zu bauenden Mausoleum in Friedrichsruh beerdigt zu werden. An der offiziellen Trauerfeier in der Berliner Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche nahm die Familie Bismarck nicht teil. Als Meister des Wortes, der Präzision und Eindringlichkeit von Sprache hatte Bismarck auch testamentarisch festgelegt, wie die Inschrift auf seinem weißen Marmorsarg lauten sollte: »Fürst von Bismarck, geb. 1.   April 1815, gest. 30.   Juli 1898. Ein treuer deutscher Diener Kaiser Wilhelms I. « Bismarcks Sarg wurde am 16.   März 1899 an der Seite seiner Frau in der neoromanischen Grabkapelle von Friedrichsruh aufgestellt.
    Auch vieles andere hatte Bismarck bereits geregelt und bedacht. Wie es sich für einen in Junkertraditionen denkenden Mann seines Schlages gehörte, erhielt das Dienstpersonal anlässlich seines Todes Summen zwischen

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