Die Bismarcks
Rittergut ihrer Eltern in Reinfeld geerbt. Durch beständige Zukäufe wurden die Besitze in Varzin und Friedrichsruh nun erweitert. Eine Gruppe von Bankiers, die Geld für ihn gesammelt hatte, ermöglichte Bismarck in Verbindung mit einer staatlichen Sammelaktion, der umstrittenen »Bismarckspende«, den Rückkauf von Schönhausen II. Es war im 19. Jahrhundert an einen bürgerlichen Besitzer veräußert worden.
Der rein landwirtschaftliche Betrieb der Bismarck’schen Güter wurde nie rentabel. Auch aus diesem Grund geizte Otto von Bismarck bei Löhnen und Gehältern seiner Angestellten und Arbeiter. Aber es gelang ihm, mit dem Aufbau von Kleinindustrien wie Destillerien und Papiermühlen sowie weiterer Verwertungsketten beträchtliche zusätzliche Einnahmequellen zu erschließen. 1887 schätzte er sein Vermögen auf 12 Millionen Mark. Als Reichskanzler erhielt er damals ein Jahresgehalt von 54 000 Mark, das zum Bestreiten seines Lebensunterhalts nicht ausreichte. Mitunter musste er über 100 000 Mark aus seinem eigenen Vermögen zuschießen. 65
Die schlimmsten Befürchtungen des Kaisers und des Kanzler-Nachfolgers Leopold von Caprivi traten ein, als Bismarck nach einer sehr kurzen Eingewöhnungsphase in Friedrichsruh das Fernduell mit Berlin aufnahm. Auch die Familie war überrascht. Ehefrau Johanna hatte auf ruhige Jahre mit einem Pensionär gehofft. Zunächst gewährte Bismarck mehreren in- und ausländischen Korrespondenten einige Interviews. Über Caprivi sagte Bismarck am 22. Mai 1890 einem Korrespondenten: »Vor meinem Nachfolger habe ich die allergrößte Hochachtung; er ist ein vorzüglicher General, vielleicht der beste, den wir haben. Schade, dass er zur Politik übergegangen ist; als er den Posten übernahm, hat er selbst gesagt, er träte in eine Dunkelkammer ein.« Zu diesem Zeitpunkt war Bismarck noch hoffnungsvoll, dass es eine Kontinuität in der Außenpolitik des Reichs geben würde, denn er sagte weiter, »ein Wechsel in der äußeren Politik ist unmöglich. Die Furchen sind so tief, dass die Räder darin weiterlaufen müssen.« 66
Bald darauf wurden die Interview-»Einschläge« in Berlin dichter. Dr. Emil Hartmeyer, der Verleger der Hamburger Nachrichten, bot Bismarck bei einem Geburtstagsbesuch in Friedrichsruh am 15. April 1890 an, seine Zeitung dem Altkanzler zu öffnen. Mittelsmann wurde der skrupellose Redakteur Hermann Hofmann, der sich in regelmäßigen Abständen Direktiven in Friedrichsruh abholte und Bismarcks Beiträge mit und ohne Autorennennung ins Blatt hob. Er kam aber auch aus einem anderen Grund gern mehrmals in der Woche in den Sachsenwald. Hofmann plagten Eheprobleme und Geldsorgen; Bismarck half manchmal mit Zahlungen aus. In der restlichen Lebenszeit von Bismarck kamen auf diese Weise etwa 1200 Beiträge zustande, im Schnitt also drei pro Woche, eine phantastische Möglichkeit, die Regierung zu attackieren.
Mithilfe weiterer Mitarbeiter und Vertrauter zog Bismarck darüber hinaus ein kunstvolles Netz von PR -Aktionen auf, die seinem Mythos den Weg bereiteten. Die Schlange der Besucher in Friedrichsruh riss nie ab. Nur der Monarch blieb von persönlichen Angriffen ausgenommen. Wie gefährlich diese Pressepolitik Bismarcks war, zeigte sich 1896, als Bismarck in dieser Zeitung den mit Russland abgeschlossenen geheimen Rückversicherungsvertrag aus dem Jahre 1887 veröffentlichen ließ. Er teilte auch mit, warum die Verlängerung nicht zustande gekommen war. Wilhelm hatte nicht übel Lust, den Alten in einer ersten Überreaktion wegen der Veröffentlichung hinter Schloss und Riegel bringen. Um einen ungefähren Überblick über die Lage zu behalten, ordnete er am Lehrter Bahnhof in Berlin Kontrollen an. Die Identität von Reisenden, die ein Ticket nach Friedrichsruh lösten, wurde überprüft und gemeldet.
In seinen Zeitungskommentaren blieb Bismarck der Linie treu, die sich seit Ende der 1880er-Jahre abgezeichnet hatte. Im Notfall solle das Reich unter die Fittiche des britischen Empires schlüpfen und an den bestehenden Bündnissen festhalten, vor allem an der Verbindung nach St. Petersburg. Es gehe vor allem um die Sicherheit dessen, »was wir uns mühsam unter dem … bedrohenden Gewehranschlag des übrigen Europa ins Trockene gebracht haben«. Nichts sei gefährlicher, als die Rolle eines Mannes zu spielen, »der plötzlich zu Geld gekommen ist und nun, auf die Taler in seiner Tasche pochend, jedermann anrempelt«. Klarer als die meisten seiner
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