Die Bismarcks
dabei sowohl um steuerliche Erleichterungen und staatliche Subventionen für den Besitz als auch um eigene Karrierechancen. In der Korrespondenz Ottos ist zu spüren, wie er hinsichtlich der Zusammenarbeit mit den Nazis gedanklich lavierte. Bereits am 11. Januar 1932 kam es zu einer Begegnung mit Hitler, an der auch sein Bruder Gottfried teilnahm. Einen Tag später trafen sich die beiden Brüder und Ottos Frau mit Göring bei einem Frühstück. Der Kontakt hatte vermutlich auch ganz private Gründe: Wie Otto war Göring mit einer Schwedin verheiratet gewesen, seine Frau war allerdings zwei Jahre zuvor verstorben. In loser Folge setzten sich die Begegnungen der beiden Bismarck-Enkel mit führenden Mitgliedern der NSDAP während des gesamten Jahres 1932 und im Winter und Frühjahr 1933 fort. Aus der Korrespondenz mit der Mutter spricht allerdings keine große Begeisterung Ottos für die nationalsozialistische Sache, eher die Einsicht in eine scheinbare Notwendigkeit angesichts der verbleibenden politischen Alternativen.
Otto, ein eher vorsichtiger Mensch, »ein echter Hoyos«, wie einer seiner Neffen sagt, trug an der Last seines großen Namens. Ein begeisterter Anhänger Hitlers ist er zu keinem Zeitpunkt gewesen. Aber er war nun einmal die Führungsfigur der Bismarcks. Auf sein Verhalten kam es in besonderer Weise an. Der Name bot Schutz und Chancen – in alle Richtungen. Jeder erwachsene Deutsche kannte im Jahr 1933 den Familiennamen Bismarck. Aber man hatte dabei nicht nur das Konterfei des Reichskanzlers vor Augen, sondern interessierte sich auch für den Lebensweg der Nachkommen. Im In- und Ausland waren die Bismarcks eben auch ein Boulevardthema.
Otto wollte also auf Nummer sicher gehen. Ihm war klar, dass die Zukunft seines Förderers von Neurath, der im Außenamt auf Stresemann gefolgt war, im Falle eines Regierungswechsels offen war. Am 1. November 1932 schrieb er seiner Mutter: »Ob ich ohne irgendwelche Zusicherungen nach London gehen soll, erscheint mir sehr fraglich.« Auf einer Postkarte an Marguerite hieß es am 20. November 1932: »Was wohl in Berlin wird? Doch wohl Hitler!!« Wenige Wochen später, in den entscheidenden Tagen vor der Errichtung der Diktatur, schrieb Otto am 28. Januar 1933 an seine Mutter: »Was nun wird, ist natürlich noch keineswegs klar, m. E . kommt nur ein Kabinett Hitler in Frage.« 14 Einen Tag zuvor war er anlässlich eines Besuchs bei Göring zufällig auch Hitler begegnet und hatte zehn Minuten mit ihm gesprochen. Ottos Befund: »Er war zuversichtlich und von größter Ruhe.«
Als Hitler am Abend der Machtergreifung im Hotel Kaiserhof ein Essen gab, gehörte Otto zu den Eingeladenen. Einige Tische weiter, zwischen Göring und einem Bankier, saß Harry Graf Kessler. Er notierte anschließend in seinem Tagebuch: »Ich saß an einem kleinen Tisch zwischen ihm und dem berühmten Herrn von Strauß, früher von der Deutschen Bank, der sich sehr dicke tat mit seinen intimen Beziehungen zu Hitler. Dieser habe ihm versprochen, er werde ihm jeden Wunsch, den er ihm zur Kenntnis bringt, erfüllen.« Der Maler Max Liebermann hatte die Ereignisse des Tages von den Fenstern seines Hauses am Pariser Platz 7 direkt neben dem Brandenburger Tor verfolgt. Ihm entfuhr die Bemerkung: »Ich kann gar nicht so viel fressen, wie ich kotzen möchte.«
In allen Fragen des persönlichen und politischen Vorgehens hielt Otto engsten Kontakt mit seinem Bruder Gottfried. Gottfried steckte auf seinem abgelegenen pommerschen Gut Reinfeld in einer persönlichen Krise. Vielleicht auch aus diesem Grund ergriff er in diesen Wochen und Monaten sehr viel eindeutiger für die Sache der Nationalsozialisten Partei als sein Bruder. Aber das war für ihn nicht unbedingt gleichbedeutend mit einer Begeisterung für »Hitler«.
Gottfried, vier Jahre jünger als sein Bruder, kam am 29. März 1901 in Berlin auf die Welt. Er war dynamischer als sein älterer Bruder, was wohl damit zusammenhing, dass er in der Hierarchie der Geschwister als männlicher Zweitgeborener um seinen Platz kämpfen musste. Er war nicht der geborene Fürst, er trug nur den Grafentitel. Als Fünfjähriger schrieb er aus der Sommerfrische der Familie am Semmering seiner Mutter: »J’apprends le français pour te faire plaisir.«
Gottfried wurde wie seine Geschwister zunächst von Privatlehrern unterrichtet. Von 1914 bis 1919 besuchte er ein Internat in Plön, wo er 1919 auch das Abitur ablegte. Am 1. Oktober 1919 trat er in
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