Die Bismarcks
Anwesenheit von Reichspräsident von Hindenburg im Berliner Dom getraut. Mehrere Mitglieder der Regierung nahmen an dem anschließenden Fest im Hotel Esplanade teil. Schwester Hannah hatte den festlichen Tag organisiert, unterstützt durch ihren Freund Sydney Jessen. Die Hochzeitsreise des Paares ging nach Baden-Baden. Otto verbrachte viel Zeit beim Forellenangeln in den Bächen des Schwarzwalds. Ann Mari durfte dabei sein, aber nicht sprechen.
Nach einem sechsmonatigen Stockholmer Gastspiel wurde Otto schon im März 1928 als Botschaftsrat nach London entsandt. Dort befand er sich nun endgültig auf den Spuren seines Vaters. Die Briten waren begeistert. Gewiss spielten der Klang und das Prestige seines Namens dabei eine Rolle, aber auch seine sehr schöne Frau. In allen Hauptstädten, in denen das Paar fortan auftrat, wurde es rasch zum Mittelpunkt der Gesellschaft. Bei der Vorstellung der Bismarcks in St. James hatte Winston Churchill die Ehre, Ann Mari zum Souper zu führen. Die Londoner Presse berichtete ausführlich. Wenn Ottos Frau später auf Reise ging oder nach London zurückkehrte, war dies der Londoner Times eine Meldung wert. Im Winter reiste das junge Paar zum Skifahren nach St. Moritz und stieg im Palace Hotel ab.
Unweit des Hyde Park, am 56, Eaton Square, bezogen Otto und Ann Mari ihr Domizil in der britischen Hauptstadt. Im September 1929 bekamen die jungen Eltern ein Töchterchen, es hieß Mari Ann. Im November 1930 kam Ferdinand, der heutige Chef des Hauses Bismarck, in London auf die Welt. Das Paar hatte insgesamt sechs Kinder, die letzten drei wurden nach dem Krieg geboren. Bekannt durch zahlreiche Artikel in der Boulevardpresse wurde vor allem Gunilla, die 1949 geborene jüngste Tochter.
Bei einem London-Aufenthalt erlitt ein prominenter deutscher Besucher einen seelischen Zusammenbruch und musste in eine psychiatrische Anstalt eingeliefert werden. Bismarck wurde mit dem Fall betraut: Er eilte in die Klinik und sprach mit dem behandelnden Arzt. Plötzlich ertönte eine Stimme im Hintergrund: »Mein lieber Fürst, Sie können gleich da bleiben! Friedrich der Große und Napoleon sind auch schon da.« 13
Bismarck galt als sehr reicher Mann, aber der Schein trog. In der Landwirtschaft ließ sich gegen Ende der Weimarer Republik kein Geld verdienen, wie viele Briefwechsel zwischen Mutter und Sohn in dieser Zeit zeigen. Im Schnitt korrespondierten die beiden alle zwei bis drei Tage. Die Briefe wurden von London per Kurier nach Schönhausen befördert. Im Januar 1931 trug sich Otto mit dem Gedanken, seinen Beruf aufzugeben. In einem Brief an seine Mutter beklagte er, dass sein Diplomatengehalt für London nicht ausreiche und dass er auf Pump leben müsse. Schönhausen musste 1932 vorübergehend verpfändet werden. Die finanzielle Situation des Besitzes war offenbar so kritisch, dass sich der junge Diplomat nach dem Tod seines Generalbevollmächtigten entschied, die Güter vorübergehend selbst zu bewirtschaften. Er beantragte beim Auswärtigen Amt Urlaub vom 15. November 1931 bis zum 31. März 1932. Dieser wurde ihm auch gewährt.
Aber damit fehlte nun das Gehalt mit großzügiger Auslandszulage. Otto hatte um eine Fortsetzung der Zahlungen gebeten, da er weiterhin erhebliche Ausgaben in London zu bestreiten hatte. Dadurch kam es zu einer weiteren Verschärfung der finanziellen Probleme, denn es gelang ihm erst im Januar 1933, die teure Londoner Stadtwohnung zu vermieten. Als die wirtschaftlichen Probleme anhielten, entschied sich Otto, vorerst in der Heimat zu bleiben. Ihm drohte der Bankrott, als die in Schwierigkeit geratene Industrie-Bank die Hypothek für Friedrichsruh kündigte. Otto wandte sich an seine politischen Freunde. Er informierte den Chef der Reichskanzlei, Staatssekretär Planck, mit der Bitte, Reichfinanzminister Schwerin von Krosigk einzuschalten. Zeitweise erwog er den Verkauf des Familienarchivs. Der Antrag auf Beurlaubung wurde im März 1932 vom Auswärtigen Amt verlängert, zunächst bis zum 1. Oktober 1932, danach nochmals bis zum 12. Juni 1933. In den dramatischen Monaten und Wochen bis zum Ende der Weimarer Republik und zur Machtergreifung Hitlers befand sich Otto von Bismarck also in Deutschland. Die Konservativen und vor allem der politisch desorientierte Adel schauten auf ihn. Und er beobachtete die Berliner politische Bühne.
Otto nutzte diese Zeit, um mit der Führungsgruppe der NSDAP die Zukunft des Hauses Bismarck zu diskutieren. Vermutlich ging es
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