Die Bismarcks
Auftritte, soweit dies in seinem späteren Leben und seiner beruflichen Karriere möglich war.
Im April 1912 trat er in die Untersekunda des Auguste-Victoria-Gymnasiums in Plön ein. Beim Sprung von einer Mauer erlitt er dort einen Nierenriss, der ihm zeitlebens zu schaffen machte. Einige Jahre später wurde die rechte Niere entfernt, ein paar Jahre später die Gallenblase. Im August 1915 legte Otto das Abitur ab und ging für ein Jahr als wissenschaftlicher Hilfsarbeiter ins Auswärtige Amt. Der Studienbeginn als Jurist in Bonn wurde, ähnlich wie der des Vaters im 1870/ 71er Krieg, durch den Ersten Weltkrieg unterbrochen.
Am 11. August 1916 trat Otto als Fähnrich bei dem Regiment Gardes du Corps in Potsdam seinen Dienst an. 10 Während seines zweimonatigen Aufenthalts auf dem Truppenübungsplatz in Döberitz bei Berlin war er abends häufig in der Hauptstadt. Er besuchte Theaterveranstaltungen und sah Freunde der Familie. Am 12. Januar 1917 avisierte er seiner Mutter einen Familienbesuch – »hoffentlich in Offiziersuniform«. 14 Tage später wurde er tatsächlich zum Leutnant befördert und an die Ostfront geschickt. Bei der 4. Eskadron seines Regiments in der Nähe von Wilna versah er seinen Dienst. Aus seinen Briefen spricht die für die Zeit übliche Begeisterung eines jungen Soldaten, der keine Angst kennt. Die preußische Elite setzte ihre Söhne, wie bereits im deutsch-französischen Krieg von 1870/71 die Beispiele vom Vater und Ottos Onkel Wilhelm gezeigt hatten, bewusst dem Risiko des Soldaten bei der Kampftruppe aus. Das Erlebnis der Kameradschaft im Regiment bildete die prägendste Jugenderinnerung des ältesten Bismarck-Enkels.
Nach Kriegsende setzte Otto sein Jurastudium fort und bestand 1921 das Referendarexamen. Der sich nun steigernde Bismarck-Kult trug dazu bei, dass er, auf der Reichsliste der Deutsch-Nationalen Volksparte ( DNVP ) auf Platz 2 kandidierend, als seinerzeit jüngster Abgeordneter in den Reichstag einzog. Dort vertrat er bis 1927 den Wahlkreis Weser-Ems. Die Gattin von Hans von Seeckt, dem Chef der Heeresleitung, bedauerte bei einem Nachmittagstee im Garten des Auswärtigen Amtes, dass Otto der DNVP beigetreten sei und dort den völkischen Flügel repräsentiere. Sein Großvater habe die Nationalliberalen ins Leben gerufen, »da hätte er nach seinen Familientraditionen doch richtiger getan, in die Volkspartei einzutreten«. 11 Otto selbst sah sich auf dem linken Flügel der DNVP beheimatet.
Bei einem Diner tauschte sich die Frau des britischen Botschafters Lady d’Abernon mit dem Publizisten Harry Graf Kessler über Ottos Fähigkeiten als Politiker aus. Sie habe den Eindruck, dass er »nicht sehr fest« sei, »he could be easily talked around«. Kessler ergänzte: »Ein wahrscheinlich sehr treffendes Urteil. Er macht einen ziemlich unsicheren, etwas scheuen Eindruck, was mit an seiner Kurzsichtigkeit liegt. Alles Andre wie eine deutsche Eiche.« 12 Ottos politische Laufbahn wies starke Ähnlichkeiten mit der seines Onkels Wilhelm »Bill« auf: ein wenig Engagement, aber nicht zu viel.
Als Chef des Hauses Bismarck, familienintern Otto II. genannt, übernahm er nun die Schirmherrschaft der sogenannten Bismarck-Jugend. Es handelte sich um eine deutsch-nationale Organisation, die 1928 42000 Mitglieder hatte. Nach der Sozialistischen Arbeiterjugend war sie die zweitgrößte Jugendorganisation der Weimarer Republik.
1927 trat der junge Jurist in der Tradition der Familie, von Außenminister Stresemann gefördert, in dritter Generation in den Auswärtigen Dienst ein. Der Historiker und Universitätsprofessor Otto Hoetzsch hatte die Kontaktaufnahme zum Außenminister vermittelt. Auch hier kam, wie bei Großvater Otto und Vater Herbert, das übliche Einstellungsverfahren nicht zum Zuge, auch wenn Otto zunächst eine diplomatische Prüfung ablegte. Mit Erlass vom 13. Oktober 1927 wurde er an die Stockholmer Gesandtschaft versetzt. Bei einem Diplomatenball lernte er schon bald darauf seine spätere Frau kennen, die 20-jährige Ann Mari Tengbom. Sie war die Tochter des Architekten Ivar Tengbom, der zu den bedeutendsten Architekten seines Landes gehörte. Tengbom schuf richtungsweisende Bauten wie das Stockholmer Konzerthaus und das Bürogebäude des Bonnier-Verlages.
Bei ihrer Ankunft in Hamburg wurde Ann Mari von einer weißen Kutsche erwartet, die von sechs Schimmeln ins gut 30 Kilometer entfernte Friedrichsruh gezogen wurde. Am 18. April 1928 wurde das Paar in
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