Die Bismarcks
berichtete er seiner Mutter, dass Gottfried nach Berlin kommen und mit Göring sprechen werde. Das war Mitte September 1932. Die Absprachen waren anscheinend nicht konkret, denn im November 1932 hatte Otto das Gefühl, sein Bruder hege keine politischen Ambitionen mehr. Aber dies sollte sich schon bald erneut ändern. Über Otto ließ Göring wenige Tage vor der Machtergreifung an Gottfried ausrichten, dass er am 1. Februar 1933 eine Tätigkeit in seinem Büro aufnehmen könne. Göring rechnete zu diesem Zeitpunkt damit, preußischer Ministerpräsident zu werden. Tatsächlich wurde er wenige Tage später Reichsminister ohne Geschäftsbereich, aber mit Zuständigkeit für die preußische Polizei. Otto riet Gottfried, Görings Angebot anzunehmen, weil »er dann endlich etwas Positives zu tun« habe.
Damit standen die beiden Brüder Bismarck in einem klaren Gegensatz zu ihren Schwestern und deren Männern. Als Hannah einmal zu einem Treffen mit Hitler mitgenommen werden sollte, teilte ihr Otto kurz zuvor mit, Hitler habe den Termin abgesagt. Das traf nicht zu: Otto hatte einfach Angst, dass Hannah mit der ihr eigenen Offenheit reden und damit den Karrierechancen ihrer beiden Brüder bei den Nationalsozialisten ein jähes Ende bereiten würde.
Albrecht, der jüngste Bismarck-Enkel, beließ es bei einem kurzen Flirt mit der Partei Hitlers. Der jüngste Sohn Herberts, ein Jahr vor dem Tod seines Vaters 1904 auf die Welt gekommen, ging einen anderen Weg als seine Geschwister. Wie seine beiden Brüder absolvierte er das Gymnasium in Plön. Die kleine, malerisch in Schleswig-Holstein gelegene Stadt hatte eine besondere Bedeutung für die Familie, denn die von Plessens, Verwandte der Bismarcks, besaßen ein Gut im benachbarten Nehmten. Albrecht begann danach wie seine Brüder, wie Vater und Großvater, mit dem Jurastudium in Bonn. Dort gab es schon bald Gerüchte um seine homosexuellen Neigungen. Das Getuschel steigerte sich zum Skandal, als Albrecht aus Angst vor einer Verletzung bei der Mensur in den Räumen der Bonner schlagenden Verbindung »Borussia« kniff. Für die Zeit ein unerhörter Vorgang, der publik wurde. Er führte dazu, dass sich der älteste Bruder, ebenfalls ein »Borusse«, den Jüngsten vornahm und ihm Vorhaltungen machte. Er habe den Ruf der Familie geschädigt, sagte Otto.
Albrecht, wegen seines Beinamens Edzard auch Eddy genannt, verließ bald darauf Deutschland und ging nach Rom. Die Inflation der Weimarer Republik hatte, auch bedingt durch die falsche Anlagepolitik des Vormundes Ludwig Graf von Plessen-Cronstern, sein Erbe und das der Schwestern vernichtet. So war während des Ersten Weltkriegs das in Mecklenburg gelegene Gut Pockhorst, das Albrecht eines Tages gehören sollte, zugunsten von nun wertlosen Kriegsanleihen veräußert worden. Nur für Otto und mit einigem Abstand auch noch für Gottfried sah es finanziell besser aus.
In Rom erwarb sich Albrecht rasch gute Kenntnisse im Antiquitätenhandel und stieg bei seinem Partner Philipp Prinz von Hessen in das Geschäft ein. Wegen seiner Eheschließung mit Mafalda, einer Tochter von König Vittorio Emanuele III. , musste Philipp 1925 die Partnerschaft aufgeben.
Philipp von Hessen wurde später ein wichtiger Kontaktmann für die Nationalsozialisten. Göring berief ihn 1933 zum Oberpräsidenten der Provinz Hessen-Nassau. Diese Nachricht machte offensichtlich Eindruck auf seinen Freund Eddy, der sich nun um eine NSDAP -Mitgliedschaft bewarb. Auch die beiden Brüder in Deutschland bedrängten ihn, die Chance des Augenblicks zu nutzen. Für Auslandsdeutsche gab es jedoch mittlerweile eine Aufnahmesperre. Im Oktober 1933 holte Albrecht das Versäumte nach: alle drei Bismarck-Enkel gehörten nun der NSDAP an. Bei den Wahlen zum Reichstag gab Eddy am 20. November 1933 seine Stimme auf einem Schiff ab, das außerhalb der italienischen Dreimeilenzone vor Civitavecchia ankerte. Die Verbindung zu Philipp von Hessen war nun enger denn je.
Zu Anfang des Jahres 1933 hatte Albrecht Witterung von den sich abzeichnenden neuen Verhältnissen in Deutschland bekommen. Am 24. Januar 1933 schrieb er seiner Mutter: »Schade, daß die Hannah in ihren Briefen immer Spitzen gegen alle Welt einflechten muss.« 17 Eine Woche später, 24 Stunden nach der »Machtergreifung« Hitlers, hieß es in einem Brief an dieselbe Adressatin: »Ich bin furchtbar neugierig zu hören, was sich in Berlin abspielt und wie weit Ihr alle begeistert seid.« Dabei drückte er seine
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