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Die Bismarcks

Die Bismarcks

Titel: Die Bismarcks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jochen Thies
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des sich verschlechternden Gesundheitszustands ihres Mannes reiste sie mit ihm im Februar 1932 ins italienische Ospedaletti. An einem Tag fuhr sie über die Grenze nach Monte Carlo und weiter nach Nizza, eine Art von Vorgriff auf die gelegentlichen »escapes« der Bismarck’schen Familienmitglieder in den kommenden Jahren. Einige Tage später traf sie ihren Bruder Albrecht in Rom.
    Zurück in Potsdam, kam Hannah am 24.   März 1932 bei einem Mittagessen mit Göring zusammen, »eine schreckliche Erfahrung«, wie sie in ihrem Tagebuch festhielt. Bruder Otto und Schwägerin Ann Mari waren ebenfalls zugegen. Wenige Monate später starb Hannahs Schwiegermutter, Hedwig von Bredow, auf ihrer letzten Afrikareise als Präsidentin des Frauenbundes der Deutschen Kolonialgesellschaft ( FDKG ). Am 8.   September 1932 war das Ehepaar von Papen Gast bei einem Diner im Hause von Hannah, bei dem auch ihre Schwester Goedela nebst Ehemann, Bruder Otto und der Chef der Reichskanzlei, Erwin Planck, zugegen waren. Man diskutierte über die Zeit nach Hindenburg. Hannah gab einer Restauration der Monarchie keine Chance. Für sie war das »Hohenzollern-Kapitel« seit 1919 abgeschlossen. Zwei Tage vor der Machtergreifung Hitlers notierte Hannah in ihrem Tagebuch: »Der macht uns alle so fertig, dass wie nie mehr zur Erholung kommen. Aber was hilft’s. Quem Deus vult perdere.« 9
    Hannahs Schwester Goedela heiratete nach dem Abitur 1919 den baltischen Adligen Hermann Graf Keyserling. Sein Großvater hatte zu den engsten Freunden des Reichskanzlers gehört. Hermann hatte in seiner Heimat gerade seine materielle Basis verloren, nachdem die estnische Regierung den Großgrundbesitz entschädigungslos enteignet hatte. Im gleichen Jahr erschien jedoch ein Reisetagebuch des Adligen, das von den Erlebnissen bei einer Weltreise in den Jahren 1911/12 erzählte. Es machte Keyserling über Nacht berühmt. 1920 und 1922 wurden die beiden Söhne des Paares geboren, Manfred und Arnold. Sie lebten bis vor wenigen Jahren. Ihre Mutter hatte ein heiteres, fröhliches Naturell und war keinem Flirt abgeneigt.
    1920 zog die Familie von Schönhausen nach Darmstadt. Dort gründete Keyserling mithilfe von Förderern ein philosophisches Begegnungszentrum: die »Schule der Weisheit«. Zu den Unterstützern des Projekts gehörte auch Thomas Mann. Binnen kürzester Zeit wurde die Institution eines der intellektuellen Zentren der Weimarer Republik. Keyserling machte sich nun als Autor auch international einen Namen. Einige seiner Bücher wurden ins Englische, Französische und Spanische übersetzt. Keyserling, heute weitgehend in Vergessenheit geraten, trieb u.   a. die Aussöhnung zwischen den »Erbfeinden« Deutschland und Frankreich voran und förderte die geistige Begegnung zwischen Europa und Asien.
    Ähnlich wie Schwester Hannah und ihr Mann sahen Goedela und Hermann von Keyserling das Erstarken der nationalsozialistischen Bewegung mit großer Besorgnis. Die Randgruppenpartei erhöhte bei den Septemberwahlen 1930 die Anzahl ihrer Sitze im Reichstag von 12 auf 107. Ein Jahr später begann Keyserling, ein Weltbürger, der zunächst durchaus positive Aspekte in der Bewegung gesehen hatte, sich kritisch mit Hitlers Partei auseinanderzusetzen. Er bezeichnete sie nun als Irrationalismus, der zur Katastrophe führen müsse. Er zog daraus die Schlussfolgerung: Der Nationalsozialismus »darf … als Partei niemals zur Führung gelangen«.
    Jugendjahre der Enkel
    Otto Christian Archibald Fürst von Bismarck kam am 25.   September 1897 in Schönhausen zur Welt. Er war damit der Stammhalter der Familie, wenige Monate bevor sein Großvater, der Reichskanzler, starb. Wie seine Schwester Hannah erhielt das Kind einen zweiten Vornamen, der die enge Verbindung zur Familie Rosebery demonstrierte. Otto bekam zunächst Privatunterricht. Im Alter von zehn Jahren begann man in seinem Umfeld damit, ihn wie einen kleinen Fürsten zu behandeln. Er wurde maßlos verwöhnt. Ein zu dieser Zeit entstandenes Porträt zeigt in Anspielung an Bilder des Großvaters einen dunkelblonden Jungen im Samtanzug mit Kniebundhose, einer weißen Bluse mit gesticktem Kragen, einen Jagdhund am Halsband haltend. Als 1908 in der Regensburger Walhalla eine Büste für seinen Großvater enthüllt wurde, durfte Otto dabei sein. Der Festakt regte ihn derartig auf, dass er einen Ohnmachtsanfall erlitt und eine Gehirnerschütterung davontrug. Otto kämpfte fortan mit einer Art Platzangst und vermied öffentliche

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