Die Bismarcks
das Reichswehr-Kavallerie-Regiment 4 in Potsdam ein, das schon bald darauf beim sogenannten Grenzschutz Ost in Oberschlesien zum Einsatz kam. Gottfrieds Schwager Graf Keyserling fand ihn schon Anfang 1920 zu Höherem berufen. In einem Schreiben an Thomas Mann heißt es, dass er in Gottfried den künftigen deutschen Kaiser sehe. 15 Wegen eines schweren Unfalls, der ein um sechs Zentimeter verkürztes rechtes Bein zur Folge hatte, musste Gottfried im März 1920 seine militärische Karriere in der Reichswehr aufgeben. Er begann danach ein Jurastudium in Heidelberg, das er in München und Kiel fortsetzte. In der Hafenstadt bestand er 1924 das erste juristische Staatsexamen.
Zu dieser Zeit lernte er den schwedischen Industriellensohn Jacob Wallenberg kennen. Es war der Beginn einer lebenslangen engen Freundschaft. Der Familientradition folgend, schlossen sich in den Jahren 1925/26 größere Reisen durch Europa an. Gottfried fuhr nach Skandinavien, nach England, nach Frankreich, nach Italien und auf den Balkan. In den Jahren 1927/28 absolvierte er ein längeres Praktikum bei der Hamburg-Amerika-Linie in Hamburg und in New York. Infolge der verschärften wirtschaftlichen Situation der Weimarer Republik verschlechterten sich seine beruflichen Perspektiven. So entschloss er sich im Anschluss an das Praktikum zu einer längeren Informationsreise durch die USA und durch Kanada, wo er die landwirtschaftlichen Anbaumethoden Nordamerikas studierte. Die amerikanischen Zeitungen berichteten in ausführlichen Beiträgen über die Reise des Kanzlerenkels. Danach kehrte Gottfried nach Deutschland zurück und wurde 1928/29 Mitglied der Geschäftsführung des Reichsverbandes der deutschen Industrie in der Abteilung Handelspolitik. Er lernte in dieser Zeit die Industriellenfamilie Krupp kennen. Pläne, die Krupp-Tochter Irmgard Sophie zu heiraten, zerschlugen sich. Gottfried war auch Mitbegründer und Vorstandsmitglied der deutsch-englischen Vereinigung. Damit begab er sich wie sein Bruder Otto in die britische Traditionslinie der Familie, die nun schon in der dritten Generation anhielt.
Das ruhelose Leben des mittlerweile knapp 30-Jährigen, das an den Großvater erinnerte, hielt weiter an. 1930 wurde Gottfried Landwirt auf dem 1336 Hektar umfassenden Gut Reinfeld, von dem seine Großmutter väterlicherseits stammte. Dort arbeitete der Junggeselle, der erst 1937 heiratete, bis zum Jahr 1933. Der Besitz war profitabel, und Besucher schilderten das in Hinterpommern gelegene Reinfeld als ein geschmackvoll eingerichtetes Haus in englischem Landhausstil. Sie zeigten sich besonders von der großen Bibliothek beeindruckt. Aber Gottfried, von der Familie als Idealist eingeschätzt, hatte andere Vorstellungen und Wünsche. Seit seiner Kindheit zum Dienst an der Nation und zur Verantwortung gegenüber dem eigenen Land erzogen, verfolgte er die dramatische politische Entwicklung in Berlin. Er rechnete sich Karrierechancen aus, aber auch die Möglichkeit, Politik mitzugestalten. Sein Bruder Otto drängte ihn dazu, Politiker zu werden. Die Nationalsozialisten warben um prominente Persönlichkeiten mit Wirtschaftskompetenz. Im Falle von Gottfried zählte besonders, dass er etwas von Landwirtschaft verstand.
Obwohl Gottfried im Laufe des Jahres 1932 wiederholt mit dem Führungspersonal der NSDAP bei Frühstücken zusammentraf, war er über die aktuellen Entwicklungen nur sehr vage informiert. Er gehörte nicht zum »inner circle«. Schleicher sei ein Übergangsmann, nach ihm komme die NSDAP und dann Hitler, lautete Gottfrieds Analyse am 3. Dezember 1932. Am 26. Januar 1933 berichtete er seiner Mutter, dass Nazis und DNVP damit begännen, sich anzufreunden, »was erfreulich wäre«, setzte er hinzu. Am Tage der »Machtergreifung«, am 30. Januar 1933, war Gottfried der Ansicht, dass die politische Krise noch lange andauern werde. »Ich kann mir eigentlich nicht vorstellen, warum Hindenburg den Schleicher gehen lässt, wenn er nicht entschlossen ist, Hitler zu ernennen.« 16
Am 1. September 1932 wurde Gottfried Mitglied der NSDAP und landwirtschaftlicher Kreisfacharbeiter der Partei im Kreis Rummelsburg, in dem Reinfeld lag. Bald darauf holte ihn Himmler in seinen sogenannten Freundeskreis. Gottfried duzte ihn, was Himmler nur wenigen gestattete. Aber er selbst hatte offenbar keinen engen persönlichen Kontakt zu Himmler. Darauf deuten auch die überlieferten Schreiben Himmlers an ihn hin.
Otto zögerte noch. Schon eine Woche später
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