Die Bismarcks
beurlaubt, schrieb in der für ihn typischen Manier am 6. Februar 1933 an seine Mutter: »Ich finde die Regierung bisher sehr geschickt & energisch. Wegen mir persönlich habe ich noch nichts unternommen, will wahrscheinlich auch bis nach den Wahlen warten. Ich nehme an, dass man ein großes revirement vornehmen wird & vielleicht fällt dabei auch für mich etwas ab.« 22 Wenige Tage später, am 10. Februar 1933, berichtete Otto seiner Mutter, dass er weiterhin das Ergebnis der Wahlen abwarten wolle: »Aber ich nehme auch an, dass ich im diplomatischen Dienst etwas avanciere.« Um diese Aussicht zu verstärken, trafen er und seine Frau in den folgenden Wochen wiederholt mit Hitler und seinen Paladinen zusammen, im Monat März 1933 mindestens dreimal. Im April 1933 brachen diese Kontakte mit einem Souper im kleinsten Kreis, an dem Hitler, Goebbels und Staatssekretär Meissner teilnahmen, anscheinend ab. Vielleicht hatte daran der Vorfall im »Adlon« seinen Anteil, bei dem Otto in Anwesenheit seiner Schwester, vielleicht auch angestachelt durch ihre Präsenz, bemerkenswerten Mut gezeigt hatte. Der Weg der beiden Bismarcks schien nun offenbar vorgezeichnet.
Otto, insgesamt vorsichtig taktierend, schwebte eine Art von »Doppelbeschluss« vor. Zum einen wollte er bei den sich abzeichnenden politischen Entwicklungen in Deutschland dabei sein, zum anderen beabsichtigte er, seine diplomatische Karriere fortzusetzen. Tatsächlich hat er von den zwölf Jahren des Dritten Reichs nur etwa vier in Deutschland zugebracht. In der Korrespondenz mit seiner Mutter ist stets von »den Nazis« die Rede. Otto war »in« und »out«, ein diplomatischer Überlebenskünstler, auch ein homme à femmes, wie seine beiden Brüder Gottfried und Albrecht.
Die Lage entwickelte sich so, wie sie Otto im Februar 1933 in den Briefen an seine Mutter skizziert hatte. Bei einer zufälligen Begegnung mit Hitler in der Berliner Gesellschaft sprachen die beiden am 1. März 1933 20 Minuten miteinander. Am 1. Mai 1933 trat Otto der NSDAP bei. Es war zu spät, um eine sprunghafte Karriere zu machen, wie sie seinem Bruder Gottfried gelang. Aber Außenminister von Neurath war im Amt geblieben und förderte Otto nun weiter. Am 4. Juni 1933 erhielt Bismarck die Aufforderung seines Dienstherrn, in den Auswärtigen Dienst zurückzukehren. Als Mitglied einer Delegation bei einer internationalen Konferenz in London sollte er am 12. Juli 1933 seine Tätigkeit wieder aufnehmen.
Die Rückkehr eines männlichen Bismarck in die britische Hauptstadt fiel nicht besonders auf, dafür die seiner Frau, einer strahlenden blonden, blauäugigen Schönheit, dazu einer Schwedin, die nicht mit deutschem Akzent Englisch sprach. Die britische Presse stürzte sich förmlich auf Ann Mari. Mehrfach wurde sie auf der Titelseite des führenden Gesellschaftsmagazins Tatler abgebildet. Aber zunächst verursachte die Frau des frisch entsandten Botschaftsrats in den britischen Medien Empörung, als sie ihre Kinder mit hakenkreuzbestickten Badehosen in Frinton-on-Sea planschen ließ. In dem an der englischen Südküste gelegenen Badeort besaßen die Bismarcks nun ein Ferienhaus. Otto verblieb nach dem Ende der Weltwirtschaftskonferenz als Botschaftsrat in der britischen Hauptstadt. Er erhielt damit eine zweite Chance, das »englische Erbe« seines Vaters zu pflegen und zu bewahren. Eine Rede, die er beim Frühstück des National Council of Women am 2. November 1933 hielt, erregte in der britischen Presse Aufsehen. Otto verteidigte dort die Maßnahmen des Regimes, die bereits zur Emigration vieler deutscher Juden geführt hatten, in einer den heutigen Betrachter beschämenden Weise. In Abwandlung des Titels eines bekannten Nachkriegstheaterstücks war er »Des Teufels Diplomat« geworden.
Die Familie wohnte privat in der 9, Stanhope Street in unmittelbarer Nähe zum Hyde Park. Die Bismarcks führten ein angenehmes, gesellschaftlich interessantes, jedoch unpolitisches Leben. Aber es verlief anders als beim ersten Englandaufenthalt. Die britische Oberschicht begann sich aufgrund der Entwicklungen in Berlin mehr und mehr vor den Deutschen zurückzuziehen, obwohl man bei den Bismarcks immer noch eine Ausnahme machte. Die Erinnerung an den Englandliebhaber Herbert von Bismarck, an seine Freundschaften, an die außenpolitische Kompetenz und Brillanz seines Vaters, des Reichskanzlers, der England ebenfalls außerordentlich geschätzt hatte, war noch sehr lebendig. Davon
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