Die Bismarcks
profitierte die Diplomatenfamilie. Stolz berichtete Otto seiner Mutter im Mai 1934, dass man eine Einladung der Roseberys zu einem Ball erhalten habe. Ann Mari war mit der ersten Frau von Anthony Eden eng befreundet, der zu dieser Zeit Außenminister war und bald darauf Premierminister wurde. Das Ehepaar war auch zu Gast bei den Astors. Die ursprünglich aus Baden stammende Familie war nicht nur unermesslich reich, sondern besaß auch hohes Ansehen in der angelsächsischen Welt. Otto konnte nun seinen Leidenschaften frönen: der Jagd, dem Golf- und Polospiel sowie schönen Autos. Im italienischen Ferienort Cortina d’Ampezzo feierten er und Gottfried im Februar 1934 ihren beruflichen Aufstieg.
London gewann angesichts der politisch bedrängten Lage in der Heimat allmählich eine zentrale Bedeutung für die gesamte Familie. Ein Jahr später beklagte sich Otto schon, dass zu viele Verwandte zu Besuch kämen und enttäuscht seien, wenn er und seine Frau keine Zeit für sie hätten. Ann Mari erholte sich von der Geburt ihres Sohnes Carl Alexander auf einer Schiffsreise nach Madeira und Teneriffa. Der Terminkalender der beiden wies Ende Juni 1935 aus, dass das Diplomatenpaar auf drei Wochen hin für Mittags- und Abendtermine ausgebucht war.
Erneut überfiel Otto in diesen Wochen der Gedanke, den Dienst zu quittieren und sich ganz der Bewirtschaftung seiner Güter zu widmen. Die Devisenbeschränkungen, die das Dritte Reich verhängte und die auch Diplomaten im Ausland trafen, konnten die Bismarcks dank Ottos schwedischer Frau und ihrer internationalen Kontakte umgehen. So reisten sie Anfang 1936 nach Florida und wohnten in der Villa eines mit Albrecht befreundeten amerikanischen Paares in Palm Beach. Endlich konnten sie für ein paar Wochen Deutschland vergessen. Als Otto nach drei Wochen nach London zurückkehren musste, fuhr Ann Mari mit ihrem Schwager Albrecht nach Kuba und nach Mexiko weiter.
Wie schwierig die finanzielle Situation bei Reisen nach und in Deutschland selbst für Diplomaten geworden war, zeigte eine Fahrt von Otto wenige Monate später. Er wollte sie u. a. dazu nutzen, seine Dienstlimousine vom Typ Horch in Berlin warten zu lassen. Otto bat seine Mutter vorab um 100 Reichsmark, die sie postlagernd an das Hauptpostamt Osnabrück senden sollte. Er werde ihr den Betrag zurückerstatten, schrieb er ihr. 23
Wie auch auf anderen diplomatischen Stationen enthielten Ottos Briefe nur wenige Hinweise auf die politische Situation, auf die Haltung Großbritanniens gegenüber dem Dritten Reich, auf besondere Begegnungen oder Ereignisse. Insgesamt schätzte Otto Großbritannien und die USA bis 1936 falsch ein. Hinsichtlich der internationalen Rolle des Dritten Reichs hegte er durchaus Illusionen. 1936 schrieb der international Erfahrene seiner Mutter, er halte Deutschland für den »ruhenden Pol« in Europa. Eine Rede Hitlers fand er im gleichen Jahr »wunderbar«. Wurde es konkret, zeigte Otto in diesen Jahren aber auch andere Seiten. Als der spätere Regierende Bürgermeister von Berlin, Ernst Reuter, in das KZ Lichtenburg bei Torgau verschleppt wurde, bemühte sich Otto erfolgreich um seine Freilassung. Obwohl der briefliche Kontakt zur Mutter denkbar eng war, zeigte Otto aber selten Gefühle und tauschte vor allem Informationen zur finanziellen Lage des Besitzes, über Konten und die Vorgehensweise der Familie bei anstehenden Publikationen über die Bismarcks aus.
Als Botschafter von Hoesch im April 1936 starb, wurde Otto von Bismarck für sechseinhalb Monate Geschäftsträger der deutschen diplomatischen Vertretung. Als Gast des berühmten, alljährlich stattfindenden Austern-Essens in Colchester musste er einräumen, bei Weitem nicht die Portion bewältigt zu haben, die sein Großvater einst in Lüttich verspeist hatte. Bei einer Begegnung mit Außenminister von Neurath anlässlich der Olympischen Spiele in Berlin erfuhr Otto im Sommer 1936, dass Joachim von Ribbentrop als Botschafter nach London kommen werde. Die Botschaft galt als regimekritisch. Damit stand für Otto der Entschluss fest, nach Deutschland zurückzukehren.
Einige Monate später erhielt Otto die Mitteilung über seine Versetzung in die Berliner Zentrale. Die britische Presse bescheinigte ihm zum Abschied, während seiner insgesamt acht Jahre auf der Insel einen Prozess der Reifung durchlaufen zu haben. Erkennbar hatte Otto vom legendären Ruf seines Großvaters und von den Kontakten seines Vaters in der britischen Hauptstadt
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