Die Bismarcks
ein Mann mit äußerst rascher Auffassungsgabe. Selbst seine Gegner in der Botschaft bescheinigten ihm, sein diplomatisches Talent mit klarer politischer Analyse verbinden zu können.
Italien war zu diesem Zeitpunkt in einer besonderen Lage. Es befand sich schon im Kielwasser der nationalsozialistischen Expansionspolitik, aber noch nicht im Krieg. Die Bismarcks beschränkten sich nicht auf die von Ribbentrop skizzierte Rolle als »Partylöwen«, sondern erwarben sich rasch eine ausgezeichnete, »tonangebenden Stellung«, wie ein Besucher aus Berlin registrierte, in der insgesamt deutschlandfeindlichen römischen Gesellschaft. Sie wurde von Außenminister Ciano angeführt, einem Englandbegeisterten, während seine Frau Edda, eine Tochter von Mussolini, eher deutschlandfreundlich eingestellt war. Gewiss spielte dabei der Name Bismarck eine Rolle, der wenig teutonische, glamouröse Auftritt des Paares, aber auch die Offenheit, mit der Otto und Ann Mari, längst eine Regimekritikerin, die Zustände daheim charakterisierten. Sie begeisterte die Italiener darüber hinaus mit ihrem Chic. Sie war das Kind einer schwedischen Sami-Mutter und trug einen Wintermantel aus Seehundsfell. Anerkennende Pfiffe ertönten, wenn das Paar im Sommer an den Stränden von Ostia und Capri erschien. Bei Empfängen und Diners umschwärmten die italienischen Männer die blonde Ann Mari.
Einem Paukenschlag gleich kam eine Äußerung Ann Maris Anfang Mai 1940 gegenüber Filippo Anfuso, dem Kabinettschef von Ciano. Dieser informierte anschließend seinen Chef: »Anfuso berichtet, die Fürstin Bismarck, zu der er in sehr freundschaftlichen Beziehungen steht, habe ihm mit Tränen in den Augen gesagt, Deutschland sei verloren und Hitler habe Land und Volk zugrunde gerichtet … Noch vernichtender äußerte sie sich gegen Ribbentrop und seine Politik.« 34 Es scheint schwer vorstellbar, dass diese Bemerkungen nicht auch die Auffassung des Ehemannes widerspiegelten, zumal angesichts der ausgeplauderten Interna aus dem Auswärtigen Amt. Eugen Dollmann, Botschaftsdolmetscher und Repräsentant von SS -Führer Himmler in Rom, hielt das Paar denn auch von Beginn an für »entschiedene Nazi-Gegner, wenn sie miteinander oder mit Ciano oder Anfuso sprachen«. 35 Er ließ die Bismarcks, zunehmend auch Albrecht, nicht aus den Augen.
Die Warnungen des Gesandten und seiner Frau verhallten jedoch ungehört. Schon wenige Wochen später trat Italien am 19. Juni 1940 als Verbündeter des Dritten Reiches in den Zweiten Weltkrieg ein und führte seinen Parallelkrieg in Frankreich und auf dem Balkan. Für einige Zeit sah es für die ungleichen Verbündeten militärisch gut aus. Am 20. Oktober 1940 informierte Bismarck Ciano über die bevorstehenden Unterredungen Hitlers mit Franco und dem Vichy-Regime und riskierte dabei fast Kopf und Kragen. Noch war das Kriegsglück schließlich auf der Seite der Deutschen. Aber die Warnzeichen nahmen zu. Otto stellte im Januar 1941 fest, dass das gesellschaftliche Leben in der Hauptstadt zum Stillstand gekommen sei. Die Italiener seien durch die kriegerischen Ereignisse begreiflicherweise sehr bedrückt. Als sich die allgemeine militärische Lage des Bündnispartners im April 1942 vorübergehend besserte, berichtete Otto seiner Mutter: »Der Bedarf Italiens an Krieg ist bald gedeckt.«
Am 25. Mai 1941 gab Bismarck dem Büroleiter von Ciano zu verstehen, dass Berlin die italienischen Geheimcodes besitze und die Telegramme mitlesen könne. Das Außenministerium reagierte sofort. Zwei Tage später musste die deutsche Kriegsmarine nach dem Untergang der »Bismarck« den Überwasserkrieg beenden. Einen Tag zuvor hatte Bismarck gegenüber dem italienischen Außenminister bemerkt, es missfalle ihm, »dass der Name seines Großvaters in einen anti-englischen Kampf hineingezogen wird«. Die Italiener waren genaue Beobachter der Entwicklungen. Ihre politische Klasse sah das Unheil kommen. Richtig ernst wurde sie von den Deutschen ohnehin nicht genommen. Bismarck bildete hier in Rom neben dem Botschafter die große Ausnahme.
Außenminister von Ribbentrop musste sich in diesen Tagen beim Bündnispartner wegen des Englandfluges des Hitler-Stellvertreters Heß erklären. Ciano gab für ihn ein Essen, das Bismarck am Ende mit der Bemerkung kommentierte: »Er ist so dumm, dass er wirklich ein Naturphänomen ist.« Gegenüber Anfuso ging Otto nach dem Start des viermotorigen Flugzeugs dann noch zwei Schritte weiter: »Hoffen wir, dass sie
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