Die Bismarcks
hingewiesen. Albrecht galt als Sicherheitsrisiko.
Im Februar 1944 schlug die Nachricht wie eine Bombe ein, dass ein Bismarck von der Wehrmacht desertiert sei. Der jüngste Enkel des Reichskanzlers, Albrecht von Bismarck, wurde seit dem 27. Januar 1944 vermisst. Bald darauf stellte sich heraus, dass er seine Dienststelle tatsächlich verlassen und sich über die Alpen in die Schweiz abgesetzt hatte. 31 Zunächst kam er bei einem Tessiner Marchese unter, aber dann musste er sich unter dem Decknamen »Armando Bernasconi« (was ihm ein ungestörtes Tragen seiner Oberhemden mit den Initialen AB gestattete) allein in dem neutralen Land durchschlagen. Bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs lebte Eddy in bescheidensten Verhältnissen in einer Pension in Lugano. Um der Internierung und ihren harten Bedingungen zu entgehen, hatte er nach und nach seine goldene Armbanduhr, seine goldenen Manschettenknöpfe sowie die wenigen ihm verbliebenen Wertgegenstände versetzen müssen.
Dann kam die Rettung. Mona hatte Eddy nicht vergessen, auch ihr Mann nicht. Williams war Eddy dankbar, dass er den Besitz auf Capri während der ersten Kriegsjahre so treu gehütet hatte. An der Seite eines US -Generals kehrte Mona mit den amerikanischen Panzerspitzen 1944 nach Europa und nach Norditalien zurück. Nach dem glücklichen Wiedersehen an der schweizerisch-italienischen Grenze verschaffte sie ihrem Freund Eddy einen Vatikan-Pass – eine Parallel-Vita zu Marlene Dietrich und Jean Gabin.
Der Zusammenhalt der Bismarck-Enkel unter den Bedingungen einer Diktatur erhielt eine Stärkung, als Albrechts älterer Bruder Otto am 3. April 1940 zum Gesandten in Rom ernannt wurde und wenige Tage später mit seiner Frau dort eintraf. Bruder Albrecht erwartete die beiden sehnlichst und war fortan täglich zu Gast in der Residenz. Er übernahm nun die Funktion des engen Vertrauten, die Gottfried bislang für Otto gespielt hatte, ohne diesen vollständig zu ersetzen. Mitte Juni 1940 berichtete Otto über seinen Bruder nach Hause: »Er hat wenig zu tun & wovon er lebt, weiß ich nicht.«
Dabei hatte Albrecht zu dieser Zeit eine gute Auftragslage. Er reiste häufig nach Venedig, um einen betuchten Hausbesitzer bei der Einrichtung seines Anwesens zu beraten. Eddy befand seinerseits in einem Brief an die Mutter, seine Schwager hätten begriffen, dass Rom ein viel gemütlicheres Pflaster sei als London. »Italien gehört eben doch zum alten Europa«, während England ein »eigener Erdteil« sei, schrieb er.
Die Entsendung Ottos nach Italien war keine Überraschung gewesen. Außenminister von Ribbentrop hatte ihn im Februar 1940, ein halbes Jahr nach Kriegsbeginn, zu sich gerufen und ihm mitgeteilt, dass er seit geraumer Zeit von dem großen gesellschaftlichen Aufwand höre, den die Briten und Franzosen in Rom betrieben. Er schlage Bismarck daher vor, befristet für sechs Monate oder ein Jahr zusammen mit seiner Frau nach Rom zu gehen, um ein gesellschaftliches »Gegengewicht« zu den »Feinden« zu bilden. Bismarck solle sich nicht um die Interna des diplomatischen Geschäfts kümmern, sondern lediglich ein großes Haus führen und sich außerhalb der Botschaft betätigen. Geld spiele keine Rolle. 32
Schon in Berlin hatte Otto enge Kontakte zur italienischen Vertretung unterhalten und den Botschafter davor gewarnt, Bündnisgenosse von Hitler-Deutschland zu werden. Bismarcks Perspektive für Rom schien somit günstig. Botschafter von Mackensen war allem Anschein nach ein vernünftiger Mann, und Johannes Baron von Plessen, Gesandter in der italienischen Hauptstadt, gehörte sogar zur Verwandtschaft. Trotz der Durchsetzung der Vertretung mit Regimeanhängern und Denunzianten konnte die deutsche Botschaft somit für ihn ein Ort zum Durchatmen werden.
Ein italienischer Diplomat notierte bei Ottos Ankunft: »Er ist ein Mann um die 40, dunkelhaarig, bebrillt, mit immer schwitzigen Händen und von unbedeutender Konversation. Er scheint von der Bürde, die die Erinnerung seines Namens hervorruft, niedergedrückt.« 33 Eine harte, aber insgesamt wohl zutreffende Charakterisierung des 1,82 Meter großen Otto von Bismarck. In seiner privaten Korrespondenz vermisst man im Zusammenhang mit seinen Auslandsaufenthalten jegliche Beschreibungen von Landschaften, Kurzporträts von Persönlichkeiten, denen er begegnete, oder scharfsinnige Lagebeurteilungen. Die bildhafte, starke Sprache seines Vaters und Großvaters hatte Otto leider nicht geerbt. Aber er war charmant und
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