Die Bismarcks
verharmlosenden Linie des Botschafters aber nichts entgegen. Diese änderte jedoch nichts an der Tatsache, dass sich zwei ungleiche Bündnispartner in einem aussichtslosen Krieg befanden. Otto hatte innerlich längst resigniert. Er flüchtete sich in die Ironie und akzeptierte so die Absurdität seiner Existenz am Park der Villa Borghese mit der Adresse Via Nicolò Porpora 1. Dort lebte er in der Vergangenheit, gedanklich in der Nähe seines Großvaters. Sein Haus stellte eine Mischung von musealem Friedrichsruh und feudaler Botschafterresidenz dar: Lenbach-Porträts des Großvaters hingen gleich in mehreren Räumen, und die große gläserne Vitrine mit Staatsgeschenken für den Reichsgründer bot einen prächtigen Anblick für Besucher der Residenz.
Fluchtpunkt des Diplomaten wurde der Golfclub in der italienischen Hauptstadt mit seinem angelsächsischen Stil. Der anglophile Otto mochte die hier herrschende Atmosphäre und hatte Himmler einmal dorthin ausgeführt. Angesichts der allgemeinen Lage traf man sich schon am Nachmittag und setzte die Gespräche bei Cocktails und abendlichen Diners fort.
Otto war auch ein begeisterter Polo- und Tennisspieler, Cabriofahrer und leidenschaftlicher Jäger. Wann immer er konnte, entfloh er der Atmosphäre in der Villa Wolkonsky, dem Dienstsitz der Botschaft. Im Auge des Orkans, spielten seine Bewohner »Die Eingeschlossenen von Altona«. Die römische Gesellschaft befand sich in Untergangsstimmung. Das gesellschaftliche Leben in Rom war schon im Laufe des Jahres 1942 vollständig zum Erliegen gekommen. Italien hatte seine Fröhlichkeit eingebüßt.
In seinem weltberühmten Roman Kaputt lässt Curzio Malaparte, dessen Villa auf Capri noch heute bei einer Wanderung zu sehen ist, Otto und Ann Mari als Teil der römischen Schickeria auftreten. Am 12. April 1943 schrieb Otto an seine Mutter: »Sonst ist von hier nichts Neues. Wenig Arbeit, viel Sonne & den Kindern gehts gut.« 41 Wenige Wochen zuvor hatte sich seine Hoffnung zerschlagen, Nachfolger seines verstorbenen Madrider Botschafterkollegen Hans-Adolf von Moltke zu werden. 42
Aber dann kam der Krieg auch nach Italien. Am 9. Juli 1943 landeten die Amerikaner auf Sizilien. Wenige Wochen später setzten Luftangriffe auf Rom ein, die zur Schließung von Ottos geliebten Golfclubs führten. So ging ihm sein letzter Rückzugsort verloren. Noch bedrohlicher wurde die Lage, als das angelsächsische Expeditionscorps am 9. September 1943 in der Bucht von Salerno erstmals italienischen Festlandsboden betrat.
Ob der Ausstieg der Italiener aus dem Krieg für Bismarck wirklich überraschend kam, ist schwer zu beurteilen. Die Aussagekraft seiner Berichte nach Hause ist kein wirkliches Indiz. Anders als in Großbritannien schätzte Otto die Lage Italiens jederzeit zutreffend ein. Aber vorrangig war nun die Sicherung der physischen Existenz der Familie. Der Diplomat wollte Konstellationen vermeiden, die ihn, seine Frau und seine Kinder in Gefahr bringen würden. Mitte Juli 1943 berichtete er seinem Bruder Gottfried über die kritische Situation in Sizilien und bat den Bruder darum, die Kinder nach Schweden auszufliegen. Otto zeigte sich besorgt, dass man möglicherweise »nicht rechtzeitig abhauen kann«. Er teilte seinem Bruder ferner mit, wo sich sein Testament befand – »im Falle eines Falles«, wie er schrieb.
Dennoch waren Ottos Telegramme nach Berlin weiterhin realistischer als die seines Botschafters. Otto wählte dabei den Kunstgriff, seine eigene Einschätzung hinter der seiner italienischen Gesprächspartner zu verstecken. Zum Schluss kam die Distanzierung, um sich nicht selbst zu gefährden. So konnte man aus den Texten herauslesen, was man wollte. In der Botschaft rückten die Regimekritiker, angeführt von Otto, nun noch enger zusammen. Die Luftangriffe auf Rom verstärkten sich. Im Juni 1943 kam der bisherige Außenamts-Staatssekretär von Weizsäcker als Vatikan-Botschafter nach Rom. Die beiden Männer kannten sich gut aus der gemeinsamen Zeit im Amt, als Weizsäcker Ottos Vorgesetzter gewesen war. Er arbeitete aber nur wenige Tage in der italienischen Hauptstadt mit Otto zusammen. Otto setzte sich in diesen Tagen für eine Ausreise des schwedischen Arztes und Schriftstellers Axel Munthe in sein Heimatland ein. Der Verfasser des weltberühmten Buches Das Buch von San Michele sah Capri nie wieder.
Den wichtigsten Beitrag während seiner Italien-Jahre lieferte Otto von Bismarck in der Phase vom Sommer 1942 bis zum
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