Die Bismarcks
nach langer Zeit zum ersten Mal wiedersah. Die Schweiz erteilte Otto zu dieser Zeit lediglich Durchreisevisa, die fünf Tage Gültigkeit besaßen. Otto nutzte sie vor allem, um Hannah in kurzen Abständen zu sehen, aber auch, um seiner Bank Besuche abzustatten.
Die Sprache in der Korrespondenz Ottos mit Mutter und Geschwistern wird nun stärker und anschaulicher. Es hat den Anschein, als sei das Familienoberhaupt menschlich weiter gereift.
In den folgenden Jahren widmete sich Otto vor allem dem Wiederaufbau von Friedrichsruh. Dank seiner guten Menschenkenntnis verstand er es, qualifizierte Berater und Mitarbeiter für den Betrieb zu gewinnen, der im Zuge des Wiederaufbaus des zerstörten Landes zu florieren begann. Eine herausragende Rolle spielten dabei der gebürtige Saarländer, Bismarck-Verehrer und Anlageberater Eisenbeiss sowie Gutsverwalter Kühling. Er dirigierte eine 100-köpfige Mannschaft, die mit beamtenähnlichem Status in den Wäldern von Friedrichsruh arbeitete. Binnen weniger Jahre wurde Otto, der weitere landwirtschaftliche Betriebe in Übersee erwarb, ein sehr reicher Mann. Brauereiaktien mit einem Ausgabekurs von wenigen DM stiegen auf den zehnfachen Wert. Eine Beteiligung an einer Bank mit Sitzen in Hamburg und Düsseldorf, an der auch der ehemalige Reichsbankpräsident Hjalmar Schacht Anteile besaß, erwies sich jedoch als Flop. Aber schon bald nach dem Krieg konnte sich Otto wieder schöne Autos leisten, beispielsweise ein Daimler-Benz-Cabriolet 170 S. Bald nach Kriegsende setzten in Friedrichsruh auch wieder die großen Feste und Partys ein, wie es sie vor dem Krieg gegeben hatte. Otto knauserte bei den Ausgaben nicht und ließ erstklassige Ensembles zum Tanz aufspielen. Einmal ließ er in diesen Jahren sogar eine bekannte Gruppe aus Spanien einfliegen.
1951 erschienen die Gedanken und Erinnerungen des Reichsgründers in einer Neuauflage, zu der Bundespräsident Theodor Heuss das Vorwort beisteuerte. Es schien der erste Schritt zu einer vollständigen Rehabilitierung der Familie in der deutschen Öffentlichkeit zu sein. Im gleichen Jahr wurde das Familienmuseum in Friedrichsruh eröffnet. Otto trug sich zu diesem Zeitpunkt mit dem Gedanken, Mitglied der FDP zu werden. Er führte Gespräche mit dem Politiker und Verleger Friedrich Middelhauve. Dann schloss er sich jedoch der Union an.
In Bonn wurde man allmählich auf ihn aufmerksam. Die kriegszerstörte Stadt mit ihrem provisorischen Politikbetrieb benötigte Förderer. Für die Tombola eines großen Festes bat man ihn im Januar 1953 darum, Alkohol aus seinen privaten Beständen zu spenden. Im Sommer 1953, die Freiheitsbewegung des 17. Juni war wenige Wochen zuvor von russischen Panzern niedergewalzt worden, herrschte Wahlkampf in Schleswig-Holstein. Bismarck wurde auf den zweiten Platz der CDU -Landesliste gesetzt. Adenauer besuchte Friedrichsruh Ende August 1953 auf einer Wahlkampfreise und stand auch vor dem Grab des »Eisernen Kanzlers«. Wenige Wochen später zog Otto für den Wahlkreis Lauenburg in den Deutschen Bundestag ein. In der dritten Generation stellten die Bismarcks damit wieder einen Parlamentarier.
Eine nüchterne Juristensprache kennzeichnete seinen beruflichen Schriftverkehr. Im Wahlkreis stand die Wirtschaftsförderung im Vordergrund. Wenige Kilometer östlich von Friedrichsruh verlief nun der Eiserne Vorhang: Unter anderem aus diesem Grund wurde Otto im Juni 1954 Mitglied im Kuratorium »Unteilbares Deutschland«. Es ging aber auch um die Eingliederung der Flüchtlinge, von denen viele nach Schleswig-Holstein gekommen waren, und um die Behandlung von Einzelschicksalen. Auffällig viele Bittsteller traten an ihn mit der Frage heran, ob er ihnen oder einem Familienangehörigen beim Eintritt in die Bundeswehr behilflich sein könne. Otto von Bismarck zeigte auch ein besonderes Interesse an der Atompolitik der jungen Republik. Er regte die Gründung des Deutschen Atomforums an und förderte den Bau des Forschungsschiffs »Otto Hahn«. Im Oktober 1959 reiste er mit einer Bundestagsdelegation zu Gesprächen über die künftige Atompolitik in die USA .
Die Entwicklung der Bundesrepublik, der Wiederaufbau, das sogenannte Wirtschaftswunder, schritten unterdessen voran. Für den MdB Otto von Bismarck öffnete sich erneut das Fenster zur Welt. Er wurde Mitglied des Auswärtigen Ausschusses, konnte wieder reisen. Nachdem er Farmland in Paraguay erworben hatte, zeigte er ein besonderes Interesse an den Beziehungen zu den
Weitere Kostenlose Bücher