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Die Bismarcks

Die Bismarcks

Titel: Die Bismarcks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jochen Thies
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Ländern Süd- und Mittelamerikas, aber auch zur Türkei und zu Japan. 1945 hatte er geholfen, japanischen Offizieren, die in Hamburg gestrandet waren, die Ausreise in die Heimat zu ermöglichen.
    Einen nicht abreißenden Strom von Bittstellern stellte die Großfamilie Bismarck dar, also die vier Geschwister mit ihren Kindern. Ottos eigene Familie war in der Zwischenzeit auf sechs Kinder angewachsen. Hinzu kamen die drei Kinder von Gottfried, die zu versorgen waren. Großzügig bezahlte er seinen Geschwistern Eisenbahn- und Flugtickets sowie Hotelzimmer und gewährte Zuschüsse aller Art. Mitunter glich die Bismarck’sche Verwaltung in Friedrichsruh einem Reisebüro, vor allem vor großen Familienfesten. Bei diesen Veranstaltungen rangen ihm andere Mitglieder der Familie, so hat es den Anschein, weitere Zugeständnisse ab, an die er sich später nicht immer erinnerte oder erinnern wollte. Am Ende zahlte er jedoch dem Neffen und Referendar den Unterhaltszuschuss von 150 DM im Monat, den er ihm in Champagnerlaune versprochen hatte.
    In der CDU / CSU -Bundestagsfraktion wollte sich Otto von Bismarck nicht auf seine Rolle als Mitglied des prestigeträchtigen Auswärtigen Ausschusses beschränken. Förderer der Familie und er selbst streckten die Fühler aus, um seine Chancen als Karrierediplomat oder sogar als Politiker zu erkunden. So scheint der Sohn Herbert von Bismarcks vorübergehend Adenauers Kandidat für den Außenministerposten gewesen zu sein. Am Ende machte jedoch von Brentano das Rennen. Otto zeigte sich als fairer Verlierer und gratulierte dem Konkurrenten in einem Brief. Brentano schrieb am 18.   Juni 1955 zurück: »Für Ihren Hinweis bin ich besonders dankbar, und ich hoffe, dass ich in den nächsten Tagen einmal die Zeit finde, in den ›Gedanken und Erinnerungen‹ nachzulesen. Sicherlich haben Sie recht, wenn Sie hinzufügen, dass die äußeren Verhältnisse sich grundlegend geändert haben. Aber echte Parallelen ergeben sich trotzdem immer wieder, denn die geografische Lage unseres Vaterlandes ist ja die gleiche geblieben, und gewisse psychologische Voraussetzungen, die mit dem Charakter der Völker zusammenhängen, bleiben bestehen, auch wenn die Akzente sich verschoben haben.«
    Otto war auch als Botschafter für Moskau und für Madrid im Gespräch, aber Adenauer misstraute letztlich dem Adeligen mit dem preußischen Hintergrund. Der Kanzler hatte eine schwierige Beziehung zum deutschen Osten und zum Reichsgründer, den er in jungen Jahren noch erlebt hatte. Für Adenauer begann der Osten an der Elbe und damit genau in der Landschaft, in der Schönhausen liegt. Den Enkel redete er mit »Herr Bismarck« an. Briefe adressierte der Kanzler an »Fürst Bismarck«. Außenminister Brentano wollte Otto bald darauf einen prestigebringenden Posten zuschanzen, nämlich Präsident des Automobilclubs von Deutschland zu werden. Offenbar vergeblich verwandte er sich für den unterlegenen Konkurrenten, der mit seinen kostspieligen Cabriolets und mit seinem polizeibekannten Fahrtempo Aufsehen in Bonn erregte.
    Erstaunlicherweise verzichtete Otto darauf, sein Rednertalent auszuspielen. Er war bekannt für seine spontanen brillanten Tischreden. Andreas, der Sohn seines Bruders Gottfried, erinnert sich daran, dass Onkel Otto in den Gasthöfen seines Wahlkreises binnen Minuten ein kritisch eingestelltes Publikum für sich einnahm. Im Deutschen Bundestag hat der Bismarck-Enkel diese Möglichkeit nie ausgespielt. Eine große Parlamentsrede zu einem wichtigen Thema ist nicht überliefert. Vermutlich schwieg Otto aus Scham, wahrscheinlich lastete auf ihm die Bürde der DNVP -Mitgliedschaft während der Weimarer Republik und der Weg zur Partei Hitlers. Somit verblieben Otto nur wenige Möglichkeiten, im Bonner politischen Betrieb ein wenig herauszuragen, aber er nutzte sie. Er mietete in Bonn ein repräsentatives Haus, in dem er zahlreiche Abendessen und Cocktailpartys veranstaltete. Im damaligen, vom Krieg gezeichneten Bonn eine Einladung von Bismarck zu erhalten galt etwas. Walter Henkels, einer der besten Beobachter der Bonner Republik, porträtierte Otto als einen vornehmen, liebenswürdigen und anziehenden Mann, unprätentiös und ohne aristokratische Allüren. Im Bundestag sei er »ein Farbtupfer eigener Art«. 71 In der Tradition seines Großvaters, der als Royalist Parlamentarische Abende angeregt hatte, wurde Otto von Bismarck Präsident der Deutschen Parlamentarischen Gesellschaft. Geschäftsführerin der

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