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Die Bismarcks

Die Bismarcks

Titel: Die Bismarcks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jochen Thies
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Südamerika unterwegs.
    Auch daheim wuchsen die Ansprüche an das Leben. Eine Schweizer Spezialfirma unterbreitete Otto von Bismarck an der Jahreswende 1958 ein Angebot zum Erwerb eines gebrauchten Cadillac. Otto fuhr zu dieser Zeit bereits das legendäre BMW -Cabriolet vom Typ 502. Im Sachsenwald organisierte er im Winter Jagdgesellschaften für den europäischen Hochadel.
    Ann Mari, von Otto mit kostbarem Schmuck überhäuft, entwickelte unterdessen ein eigenes Leben. Sie war mittlerweile eine Frau, die wusste, was sie wollte. Ihre Verwandten beschreiben sie in der Nachkriegszeit als eine starke Persönlichkeit, mitunter kapriziös und gelegentlich harsch mit ihren Angestellten. Zu Beginn der 1950er-Jahre hatte sie an der spanischen Südküste in der Nähe von Marbella größere Grundstücke erworben, die mit Beginn des Touristenbooms rasch an Wert gewannen. Dadurch wurde sie vielfache Millionärin. Sie fing an, größere Teile des Jahres in Marbella zu verbringen und sich ihren Gärten und Blumen zu widmen. Darüber hinaus unternahm sie auch weiterhin Reisen nach Übersee, beispielsweise 1960 nach Jamaica. Bis zu ihrem 75. Lebensjahr behielt sie als Nachfolgerin ihres Mannes und Testamentsvollstreckerin die Kontrolle über den Bismarck’schen Besitz.
    Ann Mari starb im Jahre 1999, 93-jährig, in Südspanien in ihrem Haus, das neben dem Marbella Club liegt. Die Geschichte ihres Lebens wurde unlängst verfilmt: North Star heißt der Streifen. Ihre Tochter Gunilla lernte an der spanischen Südküste Luis Ortiz y Moreno kennen. Der Sohn eines Studienrats aus Madrid arbeitete als Animateur im Marbella Club. Sie zog zu ihm nach Spanien und heiratete ihn 1978. Gunilla betrieb Restaurants, trat als Moderatorin im spanischen Fernsehen auf und gehörte zu jenem internationalen Jet-Set, der Marbella vorübergehend weltbekannt machte. Darüber hinausgehende Ambitionen entwickelte Gunilla nicht, deren Biografie an ihren Onkel Albrecht erinnert. 1989 ließ sie sich von Ortiz scheiden, mit dem sie einen Sohn hat, lebt jedoch weiterhin mit ihrem Exmann zusammen.
    Otto von Bismarck blieb während dreier Legislaturperioden im Deutschen Bundestag. In seinem letzten Jahr als Abgeordneter gab es im Bundestag eindrucksvolle Gedenkfeiern anlässlich des 150. Geburtstags des Großvaters. Die Organisation lag in den Händen der Gräfin von Werthern, die ein häufiger Gast in Friedrichsruh war. Hans Rothfels in Bonn und Percy Ernst Schramm in Friedrichsruh hielten Reden. Im Vorfeld des Datums hatte sich Otto von Bismarck am 14.   Juli 1964 in einem Brief an Bundeskanzler Ludwig Erhard gewandt und Vorschläge für die Gestaltung des Tages unterbreitet. Man dürfe den Gedenktag nicht den Rechtsradikalen überlassen, schrieb der Bismarck-Enkel. Der Pächter des Bundeshausrestaurants erhielt von Otto von Bismarck eine Erinnerungsmedaille zum Dank für die hervorragende Ausrichtung der Festivitäten. Bei einem Diner hatte er Kiebitzeier reichen lassen, nachdem er bei der Lektüre einer Fachzeitschrift gelernt hatte, dass der Alte sie jedes Jahr zum Geburtstag serviert bekam.
    Aber damit begann die von der Familie erhoffte Normalisierung im Umgang mit dem Reichsgründer nicht 76 , auch wenn Otto in Politik und Publizistik einflussreiche Freunde hatte, so den Bismarck-Verehrer Walter Hallstein, den Publizisten Klaus Mehnert und den Spiegel -Chefredakteur Claus Jacobi. In gewisser Weise markierten die Auftritte der beiden bedeutenden Historiker für lange Zeit das Ende einer Geschichtsschreibung, die den handelnden Politiker in den Vordergrund stellte. Die Studentenproteste von 1968 führten auch zu einer neuen, kritischen Betrachtung des deutschen Kaiserreichs. 77 Der Reichsgründer Bismarck wurde allmählich kleiner, weniger wichtig.
    Sein Enkel Otto von Bismarck, der vielleicht nach dem Abgang von Adenauer auf eine letzte Chance in der deutschen Politik gehofft hatte, gab nun auf und schied 1965 aus dem Parlament aus. Fortan kümmerte er sich ausschließlich um die Bewirtschaftung seiner Güter. Otto von Bismarck verstarb am 24.   Dezember 1975 in Friedrichsruh.
    Die Reaktion der deutschen Öffentlichkeit, vor allem die Trauerbekundungen aus der ganzen Welt, waren beeindruckend. In der Rückschau will es fast scheinen, als habe hier die eigentliche Zäsur in der Geschichte der Familie gelegen, denn nun brach in der Tat eine andere Zeit an. Der frühere Parlamentspräsident Eugen Gerstenmaier schrieb der Witwe von Otto von Bismarck: »Das

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