Die bitter sueße Fortsetzung
heraus, die Karten auf den Tisch zu legen. Soll ich ihm etwa sagen, dass ich nur aus lauter Trotz zugesagt habe. Dass er wegen meiner maßlosen Wut auf Martin für eine kindische Abrechnung herhalten sollte. Aber ich werde seine Gefühle nicht schamlos verletzen. Weil ich nämlich nicht schamlos bin!
»Du bist ein netter Mann und ich mag dich. Aber ich bin keine unverfrorene Frau, auch wenn ich bei dem einen oder anderen den Eindruck hinterlassen habe.«
»Ich verstehe kein Wort. Kommst du jetzt mit oder nicht?«
»Nein. Flieg allein.«
Ich traue mich nicht nach Hause zu fahren. Immerhin habe ich Martin einige Tage Zeit gelassen, das Haus zu verlassen Und nun? Wohin? Ich habe keine Ahnung und beschließe im Flughafen Restaurant erst einmal gemütlich zu speisen.
»Spaghetti alla Calabrese«, empfiehlt der Ober von der Tageskarte und ich stimme lachend zu. Das passt doch! Ich schaffe die halbe Portion der leckeren Nudeln mit scharfer Salami und trinke ein Glas Weinschorle dazu. Als ich mein Portemonnaie aus der Handtasche nehme, greife ich ungewollt in das zweite Schlüsselbund. Anjas Schlüssel! Sollte Martin tatsächlich zu Hause sein, könnte ich nebenan schlafen. Zwar ohne Bett und Decke. Aber immerhin hätte ich ein Dach über dem Kopf. Ich lasse mich mit dem Taxi fahren. In Höhe der Hausnummer 8 steige ich aus und zahle siebzig Euro, was in meiner neuen Währung rund 15 Gläser Senf entspricht. Ich gebe noch ein Glas als Trinkgeld oben drauf und ziehe meinen kleinen Koffer den Bürgersteig in Richtung Nummer 12. Die meisten Häuser sind hell erleuchtet und ich kann meine Nachbarn sehen, wie sie gemütlich mit der Familie in der Küche zu Abend essen. King Kong steht vor seiner Haustür und raucht. Als er mich erblickt, ruft er »Ist dein Wagen kaputt?« Ich will nicht zurück brüllen und schüttle nur meinen Kopf. Es steht nur mein Auto auf der Einfahrt und ich gehe vorsichtig ins dunkle Haus. Ein schneller Rundgang durch das Obergeschoss zeigt mir, dass Martin bereits ausgezogen ist. Keine Kleidung, kein Notebook, sogar seine Zahnbürste hat er mitgenommen. Ich hoffe, eine Nachricht von ihm vorzufinden. Aber Fehlanzeige. Auch mein Anrufbeantworter zeigt keine Aufzeichnungen. Vielleicht hat er es auf dem Handy versucht. Ich hatte es bereits auf dem Weg zum Flughafen ausgeschaltet. Drei Anrufe in Abwesenheit von Julian und zwei von Anja. Okay. Das kann bis morgen warten. Ich überlege noch, ob ich die Ansage auf meinem AB ändern soll. Schließlich habe ich alle Anrufer darüber informiert, dass das Geschäft für eine Woche geschlossen ist. Aber ich lasse es, wie es ist. Eine Woche Pause habe ich mir verdient. Ob in Cantanzaro oder zu Hause. Jetzt ist endlich Ausruhen angesagt. Endlich kann ich ausschlafen. Kein Kurt, der eine Morgenrunde einfordert. Mein lieber Hund ist bei Anja gut untergebracht. Wo Martin sich wohl einquartiert hat? Bei Corinna. Wo sonst! Ob er auf dem Sofa schläft oder reumütig in ihr Bett zurückkehrt, will ich gar nicht wissen.
Am nächsten Mittag hole ich Kurt wieder ab.
»Du bist also doch noch zur Vernunft gekommen«, lobt Anja mich. Sie will wissen, ob ich zum Osterbrunch kommen will?
»Ostern? Dieses Wochenende ist schon Ostern?«
»Mensch Lotte, du bist ja völlig durch den Wind.« Ich habe noch gar keine Geschenke für die Enkel besorgt. Das ist mir ja noch nie passiert! Ich rufe gleich bei Julian an und frage, wann er mit den Kindern zum Eiersuchen kommen will. Wie abgemacht am Sonntag erfahre ich. Wie abgemacht? Ich kann mich an keine Abmachung erinnern. Es stimmt, was Anja sagt. Ich bin völlig fix und fertig.
»Du Mum, geht es Martin wieder besser? Er machte gestern nicht den Eindruck auf mich, als ob es ihm gesundheitlich gut geht. Ich wollte ihn zum Arzt fahren, aber er hat abgelehnt.«
»Das werden die Nachwehen von der Cebit sein. Wir sind schließlich nicht mehr die Jüngsten.«
»Dann grüße ihn von mir. Bis Ostersonntag!« Aha, Julian weiß also noch nichts von unserer Trennung. Gut so.
Ich verspreche Kurt, mit ihm einen langen Spaziergang durch den Wald zu machen. Mein treuer Hund ist in den letzten Wochen eindeutig zu kurz gekommen.
»Ab sofort kehrt wieder Ruhe in unserer Leben ein, mein Bester. Jetzt bist du wieder der Mann im Haus und ich werde wieder selbst alle Runden mit dir machen.« Während er noch schwanzwedelnd um mich herumspringt, klingelt mein Handy. Es ist Ute. Ich erfahre, dass
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