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Die blaue Liste

Die blaue Liste

Titel: Die blaue Liste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Schorlau
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sitzen und auf etwas
     zu warten, das machte ihm nichts aus – wenn man von den Rückenschmerzen absah, die er sich beim Observieren zuzog.
    Als die Sonne den Saab erwärmte, fuhr er ihn in den Schatten unter den Zypressen und versank wieder in seinen Gedanken. Innerhalb
     eines Tages fanden zwei Menschen zu ihrem vermissten Vater zurück! Was war mit ihm? Was war mit seinem Sohn? Würde auch Jakob
     den Weg zu ihm finden? Was war mit ihm und Christiane? Aber dann drängten die alten Fragen wieder an die Oberfläche: Was stand
     in derBlauen Liste? Warum war sie nicht in der Tatortbeschreibung? Wer entfernte sie? Vor allem: Warum wurde die Asservatenliste
     im BKA geändert?
    Dengler wartete. Er musste mit Paul Stein reden.

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    45
    Zwei Stunden ließen sie ihn warten, aber schließlich traten sie zur Haustür heraus, Vater und Tochter, und beide strahlten.
     Stein ging dynamischer und wirkte wie von einem inneren Glück erfüllt.
    Christiane winkte ihm zu: Komm raus aus dem Auto! Und Dengler stieg aus und näherte sich den beiden verlegen. Doch sie kam
     ihm entgegen, hakte sich bei ihm unter, und seine Zweifel zerstoben wie ein Funkenflug. Nun wurde auch ihm leicht ums Herz.
    Sie führten ihn in ein im italienischen Stil eingerichtetes Wohnzimmer: dunkle, etwas steife Stühle, Kamin, langer Tisch,
     zwei alte Schränke. Ein großes Panoramafenster, das auf einen halben Meter hohen Sims ruhte, gab einen bezaubernden Blick
     auf den Olivenhain frei. Auf dem Tisch standen Wasser, Wein und eine Kaffeekanne sowie zwei Tassen. Der alte Stein brachte
     eine dritte Tasse.
    »Am liebsten trinkt er einen doppelten Espresso mit einem Schluck Milch«, sagte sie, und ihr Vater ging zurück in die Küche.
     Dengler betrachtete Christiane: Das Starre und Unsichere, das ihn während der Herfahrt beunruhigt hatte, war völlig verschwunden.
     Sie sieht aus, dachte Dengler, als hätte ich sie wieder geliebt – jünger, entspannter im Gesicht und mit leuchtend blauen
     Augen. Sie blickte ihn an und griff schnell seine Hand, küsste sie.
    Stein brachte ihm eine Tasse mit dem Espresso. Dengler nahm einen Schluck und lobte ihn.
    »Mein Gott«, sagte Stein, »ich habe vergessen, die Hunde aus dem Zwinger zu lassen. Wenn ich im Haus bin, dürfen sie auf dem
     Grundstück herumlaufen. Es wäre gut, wenn ihr mitkommt – damit sie sich an euch gewöhnen.«
    Sie erhoben sich und gingen ins Freie. Die Tiere waren in einem Auslauf hinter dem Haus untergebracht.»Bleibt dicht bei mir«, sagte Stein und schloss den riesigen Zwinger auf. Die Hunde stürmten ins Freie, aber sie rannten nur
     wenige Meter, dann drehten sie um und bestürmten Dengler. Der Rottweiler sprang an ihm hoch und versuchte sein Gesicht zu
     lecken; der Schäferhund schnüffelte an seiner rechten Hand, während der dritte Hund sich an sein Bein schmiegte.
    »So haben sie noch nie einen Fremden begrüßt«, sagte Stein und schüttelte den Kopf. Christiane feixte.
    Die Hunde umringten Dengler und ließen sich von ihm klopfen und streicheln. Stein, immer noch kopfschüttelnd, schritt ihnen
     voraus ins Haus zurück; Christiane und Dengler, immer noch von den drei Hunden umsprungen, folgten ihm. Die Tiere ließen sich
     auch vor der Haustür nicht abschütteln, sodass Stein sie – immer noch kopfschüttelnd – mit ins Haus nahm. Sie legten sich
     sofort zu Denglers Füßen auf den Boden.
    Stein nahm die Karaffe und goss sich ein Glas Wein ein.
    »Sie haben sicher viele Fragen«, sagte er zu Dengler.
    »Warum saßen Sie nicht im Flugzeug?«
    Stein sah ihn an: »Sie wissen wahrscheinlich: Ich war Professor an einem wirtschaftswissenschaftlichen Institut in Innsbruck.
     Im Mai 1991 traf sich eine Arbeitsgruppe unseres Instituts zu einer Beratung in Bangkok. Der Leiter des Instituts beriet damals
     das thailändische Königshaus in ökonomischen Fragen – Sie wissen vielleicht, der König von Thailand unterhält eine ausgedehnte
     landwirtschaftliche Produktion; Fischzucht, Reisanbau und solche Sachen.«
    Stein schien einen Augenblick nachzudenken. Er sah seine Tochter und Dengler an.
    »Wisst ihr, was ein Tuk-Tuk ist?«
    Dengler dachte, Stein sei irre – das würde vieles erklären.
    »Das Tuk-Tuk ist ein Zwischending zwischen einem Moped und einem Auto. Vorne hat es ein Rad und einen Lenker wie ein Moped,
     aber hinten hat es eine Achse mit zwei Rädern,und über dieser Achse ist eine überdachte Bank für zwei Personen angebracht. Eine Motorradrikscha gewissermaßen

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