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Die blaue Liste

Die blaue Liste

Titel: Die blaue Liste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Schorlau
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Föll.«
    Scheiße, den hatte er völlig vergessen.
    Dengler klickte auf Yahoo-E-Mail.
    »Einen Augenblick, Herr Föll, bleiben Sie am Apparat, ich
    habe noch ein Gespräch auf der anderen Leitung.«
    Er legte den Hörer auf den Tisch.
    »Sie haben eine ungelesene Mail«, meldete Yahoo.
    Noch ein Klick – und er konnte die Nachricht lesen.
    »Lieber armer, kranker Doktor! Sind Sie wirklich ein Arzt? Können Sie mir helfen? Ich habe beschlossen, Sie in Betracht zu
     ziehen. Bitte rufen Sie an, aber unbedingt: NUR TAGSÜBER. Ich bin neugierig auf den kranken Doktor: 0173 947 88 94.«
    Dengler nahm den Hörer wieder auf. »Hat Ihre Frau ein
    Handy?«
    »Ja, vom Büro aus bekam sie eines.«
    »Wie ist die Nummer?«
    »Wollen Sie sie etwa anrufen?« Entsetzen in Fölls Stimme.
    »Nein, aber geben Sie mir bitte die Nummer.«
    Dengler hörte, wie auf der anderen Seite Papier raschelte.
    »0173 947 88 94.«
    »Danke«, sagte Dengler und legte auf.
    Er sah zur Muttergottes und dachte an Olga.
    * * *
    »Ich möchte wissen, ob jemand mit dem Namen Paul Stein seine American Express Karte nach dem 26. Mai 1991, ab 22:45 Uhr Ortszeit
     Bangkok benützt hat.«
    »Das ist eine präzise Frage«, sagte Olga, »aber es ist schon ziemlich lange her.«»Probieren wir's?«
    »Klar«, sagte sie.
    Sie rief die Homepage von AmEx auf.
    »Wir brauchen zunächst die genaue Adresse unseres Zieles«, sagte sie.
    Dengler wusste noch aus dem Seminar beim BKA, dass jeder Rechner eine eigene IP-Adresse hatte. Diese wollte Olga nun finden.
    Sie rief www.internic.com auf, die Verwaltungsbehörde für US-amerikanische Internetadressen, und fragte nach dem Domainnamen von AmEx. Der Rechner gab
     die Inhaberdaten der Domain preis und offenbarte eine Nummer: 345.2.120.11 – die erste gesuchte IP-Adresse; ihr folgten mehrere
     Dutzend weitere. Olga markierte sie mit der Maus und kopierte sie mit der Tastenkombination Strg/C in den Hauptspeicher ihres
     Rechners.
    Olga startete nun Look That und erhielt ein Menü mit mehreren Unterpunkten. Sie wählte den Punkt Scanner starten aus. In einem Fenster erwartete der Scanner die IP-Adressen, die er überprüfen sollte. Mit der Kombination Strg/V kopierte
     Olga die Adressen aus dem Rechner in das Feld und startete das Programm.
    »Das kann jetzt dauern«, sagte sie.
    Dengler wusste, was nun geschah. Olgas Computer baute zu jeder bekannten IP-Adresse eine Verbindung auf und notierte sich
     die Reaktionen des Zielrechners, gleichzeitig probierte er die bekanntesten Sicherheitslücken aus. Look That tastete sich an die aktiven Rechner heran und befühlte sie. Vorsichtig suchte er ihre elektronischen Schutzwände nach Lücken
     ab.
    Zunächst schickte das Programm automatisch einen PING- Befehl an jede bekannte Adresse. Der Befehl PING überprüft die IPs und teilt den Status der verschiedenen Rechner mit.
    Im nächsten Schritt überprüfte der Scanner auf jedem Rechner so genannte offene Ports, Ausgänge, die der Computerfür verschiedene Aufgaben öffnen muss, sei es für eine aufgerufene Website, sei es zum Drucken.
    »Dieser Scanner ist mit allen bekannten Sicherheitslücken gefüttert«, sagte Olga, »außerdem sucht er falsch konfigurierte
     Server, egal ob Unix, Linux oder Windows. Falsch konfiguriert heißt: solche, die anonyme Verbindungen zulassen und keine gültigen
     Benutzernamen und Passwörter benötigen.«
    Auf dem Bildschirm quälten sich endlose Zahlenkolonnen von oben nach unten.
    »Das wird nicht einfach«, sagte Olga.
    Sie starrte auf die flimmernden, vorbeihuschenden Zahlen und Symbole.
    Dengler spürte ihre Körperwärme, und je näher er bei ihr saß, desto stärker zog sie ihn an. Wie ein Metallsplitter, der sich
     dem Magnet zuwenden muss. Er stand auf und behielt das Gefühl des Wohlbehagens, das ihre Nähe in ihm auslöste. Sobald er sich
     jedoch neben sie setzte, geriet er wieder völlig in den Bann ihrer Ausstrahlung, tauchte ein in diese geheimnisvolle Sphäre,
     die sein Denken und Wollen gänzlich zu absorbieren schien.
    Immer wieder kostete er die Wirkung dieser Anziehungskraft aus. Er beugte sich über sie, unter dem Vorwand, das Gewirr der
     Ziffern auf dem Bildschirm zu betrachten, und schließlich konnte er dem Bedürfnis, sie zu berühren, nicht länger widerstehen.
     Sie wandte sich überrascht um, als er seine Hand auf ihre Schulter legte.
    »Olga«, sagte er und verfluchte sich, weil seine Stimme belegt klang.
    Er sah den Glanz in ihren Augen.
    »Ja«, sagte sie

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