Die blaue Liste
ruhig.
»Pling«, sagte der Rechner.
Olga dreht sich abrupt um, das Gewirr auf dem Bildschirm war verschwunden, stattdessen zeigte er nun eine IP-Adres-se, darunter
einen Punkt, hinter dem zu lesen war: 139 open. »Wir haben sie«, sagte Olga.
Sie drehte sich zu ihm.
»Irgendwo auf der Welt haben sie einen Rechner falsch konfiguriert. NetBios lässt uns in diesen Rechner. Weißt du, Net-Bios
ist ein Protokoll, das Windows verwendet, um Dateien und Drucker in einem Netzwerk zu teilen. Aber nicht nur Drucker, sondern
auch Modems und Netzwerkkarten.«
Ihre Hände flogen über die Tastatur.
»Wie Boris Becker – ich bin drin.«
Ihre Wangen färbten sich rot.
»Wir sind in ihrem Büro in Lissabon«, sagte sie nach einer Weile.
»Ich suche mir ihre Passwörter, und wenn sie die Daten an die Zentrale übermitteln, schwimme ich mit. Schau, so sieht die
Festplatte aus.«
Zum ersten Mal duzte sie ihn.
Drei Stunden später schickte die Filiale Lissabon eine Eilanfrage – very urgent – an die Zentrale von AmEx, den ehemaligen Kunden Paul Stein betreffend.
Und ihn schickte sie hinunter in seine eigene Wohnung.
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28
»Wie heißen Sie?«
»Georg.«
»Ich bin die Susanne.«
Sie saßen in der Alten Kanzlei und tranken Cappuccino. Susanne rührte in ihrer Tasse.
Sie trug einen weißgelblichen Pullover, in dem sie irgendwie verloren wirkte, und eine ehemals schwarze, verwaschene Jeans,
die nach der neueren Mode unten breit ausgestellt war. »Und Sie sind wirklich Arzt?« Dengler nickte.
»Ich bin ausgebildete medizinisch-technische Assistentin«, sagte sie, »und nun verbeamtet.«
»Interessant.«
»Ja, das ist es, bei den Musterungen muss ich die Befunde der jungen Männer auf dem Computer pflegen. Im Besonderen muss ich
den Zustand des Musculus Sphincter bei den jungen Männern genau untersuchen und in die Datei eintragen. Sie können sich sicher vorstellen, was das für eine riesige
Arbeit ist.«
»Das glaube ich gerne«, sagte Dengler, der keine Ahnung hatte, wovon die Frau sprach.
»Wie ist Ihr Verhältnis zu Ihrem Mann?«, fragte er, und er kam sich steif vor wie eine auf der Heizung getrocknete Jeans.
Sie überlegte einen Augenblick.
»Sehen Sie, ich liebe meinen Mann. Und ich liebe meine Kinder. Zwei Jahre lang hatte ich eine Affäre mit einem Lover, der
plötzlich verlangte, ich solle meine Familie verlassen und zu ihm ziehen. Das würde ich nie tun. Stattdessen trennte ich mich
von diesem Liebhaber. Das ist der Grund, warum ich nun einen verheirateten Mann suche. Ich bin eine gute Ehefrau, aber ich
will auf die erotische Seite nicht verzichten, auf das Herzklopfen, die Aufregung, den fremden Körper. Und letztlich: All
das kommt dann auch meinem Mann zugute.«Sie sah auf die Uhr.
»Ich muss gehen«, sagte sie, »meine Mittagspause ist gleich um.«
Dengler winkte den Kellner heran und zahlte.
Als sie draußen auf dem Schillerplatz standen, sagte sie: »Wir werden uns nicht mehr sehen. Ich weiß nicht, was Sie sind,
aber ein Arzt sind Sie nicht.«
Sie lachte, als sie Georgs verblüfftes Gesicht sah.
»Lesen Sie nach«, sagte sie, »wenn Sie zu Hause sind, schnappen Sie sich ein Lexikon und schlagen Sie nach: Musculus Sphincter.«
Dengler ging direkt in sein Büro zurück und rief google.de auf. Die Suchmaschine warf ihm blitzschnell die Definition aus:
MUSCULUS SPHINCTER; ringförmiger Schließmuskel (z. B. an der Mündung des natürlichen Ausführungsorgans).
Dengler lachte, schließlich griff er zum Hörer. Sein erster Fall war gelöst.
»Föll.«
»Hier spricht Georg Dengler.«
»Und – haben Sie etwas erreicht?«
»Ja, der Fall ist geklärt.« Ängstliches Schweigen.
»Ich weiß, wer die Anzeige aufgegeben hat«, sagte Dengler. »Susanne?« Fölls Stimme war ohne Ton.
»Ihre Frau war es nicht.«
Anton Föll atmete endlos aus.
»Ich wusste es«, sagte er mit leiser Stimme, »ich wusste es.« Dengler legte auf.
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29
Das Flugzeug raste in den Dschungel. Die Bäume schlugen gegen das Cockpit. Bums, Bums, Bums. Die Madonna schwebte über
der Maschine und wich geschickt allen Hindernissen aus. Ich wusste gar nicht, dass sie Flügel hat, dachte er, und tatsächlich
flatterte die Mutter Gottes nun mit Fledermausflügeln vor ihm her. Bums, Bums, Bums.
Das Geräusch kam von der Tür, jemand klopfte.
Dengler torkelte benommen zur Tür.
Er öffnete.
Olga stand vor ihm.
Mit einigen Blättern Papier in der Hand.
»Die Zentrale hat prompt
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