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Die blaue Liste

Die blaue Liste

Titel: Die blaue Liste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Schorlau
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weiß, und er ging leicht gebückt, in den
     Schultern vornübergebeugt.
    Stein ging in den Laden und gab die beiden Sträuße einem jungen Mann, der scheinbar schon auf sie gewartet hatte. Dengler
     sah durch das Ladenfenster, wie die beiden sich unterhielten, dann gaben sie sich die Hand. Stein ging zur Tür.
    Wo blieb Mario?
    Dengler, der im Café nach jeder Bestellung sofort bezahlt hatte, legte zwei Euro für den letzten doppelten Espresso auf den
     Tisch und stand auf, als Stein den Laden wieder verließ. Wo zum Teufel war Mario?
    Stein ging die enge Gasse hinunter. Dengler verließ das Café und wollte ihm folgen. Bestimmt hatte Stein unterhalb der autofreien
     Altstadt einen Wagen geparkt. Dengler brauchte das Motorrad. Er drehte sich um und rannte los. In Richtung Hotel. Nach einer
     Minute sah er Mario. Er schob das Motorrad den Weg hinauf, hochrot das Gesicht vor Anstrengung. In wenigen Sprüngen war Dengler
     bei ihm. Er nahm den Lenker und schob selbst. Mario stemmte sich gegen den Gepäckträger. So erreichten sie den Scheidepunkt
     der Gasse. Dengler sah hinunter. Von Stein keine Spur mehr.Er musste es tun. Er hielt den Lenker mit beiden Händen und stützte den rechten Fuß auf den Anlasser. Durchtreten. Nichts!
     Noch einmal treten. Nichts! Noch einmal. Die Maschine sprang an. Handgas geben. Nicht zu viel. Er schwang sich auf die Honda
     und fuhr. Umstehende protestierten. Ein älteres Ehepaar schimpfte; der Mann schlug ihm seinen Spazierstock auf den Rücken.
    Die Maschine suchte sich den Weg zwischen den Passanten hindurch; ein Mann gab der Maschine einen Stoß, das Motorrad schien
     zu kippen. Gas geben, sie zog wieder an. Eine junge Frau sprang aus dem Weg.
    Jetzt die Gasse hinunter, am Ausgang sah er Paul Stein, der sich mit anderen empört nach ihm umdrehte. In eine Seitengasse.
     Anhalten. Maschine abgewürgt. Maschine umdrehen. In die Gasse zurückschieben. Paul Stein ist verschwunden. Im Laufschritt
     die Gasse weiter hinunter. Dort – ein Fiat verlässt den Parkplatz direkt vor dem Palazzo Communale; Stein am Steuer.
    Motorrad wieder anlassen – hinterher.
    Stein bog auf die Straße nach Grosseto. Dengler registrierte in alter BKA-Routine die Uhrzeit: Aufnahme der Verfolgung um
     18:35 Uhr, notierte er im Geist. Er hielt den weitestmöglichen Abstand zu dem Fiat. Über fünf Kilometer fuhren zwei Wagen,
     ein Renault und ein Mercedes, zwischen ihnen, aber als erst der Mercedes und dann der Renault in einen Seitenweg einbogen,
     fuhr er wieder direkt hinter Steins Fiat.
    Hoffentlich schöpft er keinen Verdacht.
    Dengler nahm das Gas weg, vergrößerte den Zwischenraum, ließ sich weiter zurückfallen. So fuhren sie in gleich bleibendem
     Abstand auf der 223. Die Straße war dunkel, einsam, und nur hin und wieder kam ihnen ein Fahrzeug entgegen.
    Hinter der Abzweigung nach San Galgano stieg die Straße zu einem kleinen zypressenbedeckten Hügel allmählich an, um auf der
     anderen Seite sanft abzufallen. Als Steins Fiat denHügel erreichte, verlor Dengler ihn aus den Augen. Er gab Gas, und die Honda zog so schnell an, dass er sich am Lenker festkrallen
     musste.
    Er erreichte den Hügel, aber er sah die Rücklichter von Steins Wagen nicht mehr. Jetzt jagte er die Honda den Berg hinunter,
     in die nächste Linkskurve, die in eine lange, gerade Allee mündete. Keine Spur von Stein.
    Dengler wendete. Hundert Meter, nachdem die Straße abfiel, bog ein kleiner Feldweg in den Wald. Dengler stoppte das Motorrad
     und lauschte. Er hörte keinen Motor. Er schaltete das Licht aus und fuhr langsam in den Weg hinein.
    Es dauerte eine Weile, bis er sich im Mondlicht orientieren konnte. An einer Abzweigung hielt er wieder an und lauschte. Jetzt
     hörte er den leicht asthmatischen Motor des Fiat. Vorsichtig fuhr Dengler weiter. Nach einer Weile sah er die Rücklichter
     von Steins Wagen. Er kam an sechs unterschiedlichen Abzweigungen vorbei, und er prägte sich jede einzelne fest ein, wohl wissend,
     am Tage würden sie anders aussehen. Nach 35 Minuten Fahrt auf dem Feldweg bog Stein ab. Er fuhr nach rechts auf einen noch
     kleineren Weg und nach 500 Metern in die Toreinfahrt eines Gehöftes. Automatisch schloss sich ein Tor hinter ihm.
    Dengler hatte die Honda bereits gestoppt. Motor aus. Vorsichtig absteigen, Maschine aufbocken. Dann näherte er sich langsam
     der Einfahrt.
    Das Tor war über zwei Meter hoch, rechts und links gingen stachlige Büsche ab. Er kniete sich und griff unter den Busch.

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