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Die blaue Liste

Die blaue Liste

Titel: Die blaue Liste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Schorlau
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Kurz danach erschienen die ersten Besucher. Dengler stand neben der
     Treppe. Es war ein gemischtes Publikum, das neben ihm die Treppen hinaufging: ältere Männer in Smokings mit Frauen in teuren
     Abendkleidern; Jüngere in Straßenanzügen und einige in Jeans und Hemd, viele junge Frauen.
    Paul Stein sah er nicht.
    Er wartete, bis der letzte Besucher hinter den großen Türen verschwunden war. Sollte er nun selber in den Saal gehen? Er wartete.
     Falls Stein verspätet war, würde er ihn hier am besten sehen. Das Orchester begann zu spielen, und aus dem Saal wehten die
     ersten Streicherklänge zu ihm herüber. Langsam stieg er die Treppe hinauf. Als er die Tür öffnen wollte, kam ein Ordner. Zu
     spät, er durfte nicht mehr hinein. Dengler blieb neben der Tür stehen und hörte der Musik zu. Streicher, Flöten, Cembalo.
     Er hing seinen eigenen Gedanken nach, dachte an Olga, an seinen Fall, an die Blaue Liste. Er musste Paul Stein finden. Er
     wollte wissen, warum diese Liste so gefährlich war. Warum verschwand sie aus den Ermittlungsakten?Die Musik beruhigte ihn. Er dachte nach. Die Luft war mild, und auf dem Meer vor der Croisette sah er die Lichter der ankernden
     Yachten.
    Als die Vorstellung endete, stand er wieder neben der Treppe und beobachtete die herausströmenden Menschen. Stein war nicht
     dabei.
    Olga und Mario saßen immer noch am gleichen Tisch im Astoux et Brun. Sie lachten wie ein Liebespaar, und auf ihrem Tisch standen drei leere Flaschen Weißwein, und mehrere Teller mit Austern und
     anderen Meeresfrüchten stapelten sich um sie herum.
    »Ich habe zum ersten Mal Seeigel gegessen«, empfing Olga ihn strahlend. Mario zauberte ein frisches Glas herbei und ein neue
     Flasche, und bald saßen sie zu dritt und tranken und erzählten und lachten, als seien sie Geschwister, die viel zu lange voneinander
     getrennt waren.
    Die Nacht verbrachten sie in einer kleinen Pension in Le Car-net. Sie waren glücklich und müde, gingen sofort auf ihre Zimmer,
     sogar die kleine Bar neben der Pension lockte sie nicht mehr. Am frühen Morgen brachen sie nach Siena auf. Sie erreichten
     die Stadt am Mittag.
    * * *
    Im Jolly Hotel Siena an der Piazza la Lizza 1 nahe der Piazza del Campo hatte Georg drei Zimmer reserviert. An der Rezeption lag ein Konzertticket
     bereit, und eine Nachricht von Hertz unterrichtete sie, dass die Autovermietung ihnen morgen früh das bestellte Motorrad liefern
     würde.
    Das Orchester würde am Abend unter freiem Himmel spielen, direkt auf der Piazza del Campo, auf dem sonst das Pa-lio stattfand,
     das traditionelle Pferderennen. Die Stadtverwaltung hatte mehrere hundert Stuhlreihen aufstellen lassen, die in der Mittagssonne
     verloren wirkten.Siena und sein legendärer Il Campo – doch Georg konnte die Schönheit der mittelalterlichen Platzanlage nicht genießen. Das
     Konzert bereitete ihm Sorgen. Anders als bei der Festivalhalle in Cannes konnten die Zuschauer hier durch vier verschiedene
     Zugänge auf den eingezäunten Platz strömen. Die gesamte Altstadt ist autofrei, und die Zielperson muss ihren Wagen unterhalb
     der Stadt parken – falls sie mit dem Auto anreist. Da Georg nicht an jedem Parkplatz einen Leihwagen abstellen konnte, hatte
     er geplant, das gemietete Motorrad vor dem Konzert in den inneren Kreis der Absperrung zu schmuggeln, um direkt von hier die
     Verfolgung aufzunehmen.
    Es wurde bereits dunkel, als sie ein Lokal am Rande der Piazza del Campo aufsuchten. Mario wählte fachkundig einen Chianti
     classico aus, der in der Gegend angebaut wurde. Olga bestand auf Spaghetti alio e olio. Sie bestellten drei Portionen und
     planten die nächsten Tage.
    * * *
    Die großen italienischen Blumenanbaugebiete liegen bei San Remo. In der Gegend um Siena werden nur ausnahmsweise Schmuckpflanzen
     gezüchtet – dies hier ist Getreide- und Weinland. Das würde es einfacher machen, hoffte Georg, den Anbaubetrieb zu finden,
     der die beiden großen Calendulabünde nach Stuttgart transportieren ließ.
    Ein kaum achtzehnjähriger Junge brachte ihnen am Morgen das Motorrad, eine kräftige Honda mit 650 Kubikzentimetern. Zwei schwarze
     Helme waren am Gepäckhalter befestigt. Dengler ließ die Maschine an, und Mario schwang sich auf den Rücksitz. Ein blasser
     Mann mittleren Alters an der Rezeption hatte Mario umständlich den Weg erklärt und ihm sogar eine kleine Skizze auf der Rückseite
     eines Anmeldeformulars angefertigt. Diese Skizze hatte Mario nun vorsich, und er

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