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Die blaue Sonne der Paksi

Die blaue Sonne der Paksi

Titel: Die blaue Sonne der Paksi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl-Heinz Tuschel
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vollendete Ming lächelnd den Satz.
    „Na ja – zum Beispiel“, gab Tondo zögernd zu.
    „Vielleicht“, meinte Ming, „vertragen aber die Erbauer der Kuppel die hiesige Sonne noch weniger als wir und halten sich deshalb lieber tief unter der Oberfläche auf? Und schicken nur ab und zu ein paar Roboter nach oben, um nachzusehen, ob es etwas Neues gibt? Vielleicht sind sie auch schon lange gestorben, und das ist eine Art Grab? Nimm mir's nicht übel – bis jetzt ist noch alles möglich.“
    „Nur eins nicht“, sagte Tondo.
    „Das wäre?“
    „Daß wir übermorgen starten.“
    „Wir werden sehen“, sagte Ming ausweichend. Er verstand Tondo sehr gut, aber er überblickte besser die Zusammenhänge. Man konnte mit dem Start nicht warten; der Transitraum setzte die Termine, nicht der Mensch. Im Katastrophenfall würde man wohl auch einen anderen Rückweg finden, sinnierte Ming, sicherlich einen risikoreicheren, schwierigeren, aber doch einen Rückweg, soweit war glücklicherweise die Raumfahrt. Aber wer wollte es verantworten, wegen einer noch so bedeutenden Entdeckung mit dem Katastrophenfall zu spielen? Nein, Tondos Optimismus stand auf einer sehr schwankenden Grundlage. Nicht viel Aussicht, daß der Junge recht behielt.
    Und er, Ming, was wollte er selbst? Er wußte, an Wissen, Kenntnissen, Erfahrungen übertraf er alle im Raumschiff, auch Hellen, die das akzeptierte. Seine Weisheit wurde gerühmt in der ganzen Raumflotte. Aber leider wußte er auch genauer als alle anderen, daß das Übermaß an Kenntnissen zusammen mit dem Zwang zum Abwägen manchmal auch zu Entschlußlosigkeit führte und daß er darum zu Recht niemals als Kommandant eingesetzt worden war. Er war damit zufrieden, und nur manchmal, in seltenen Fällen, hatte er das vage Gefühl, ihm fehle etwas, und der Sieg der Vernunft über Leidenschaft und Wagnis, den er immer durchzusetzen half, sei doch nicht des Weltalls letzter Ratschluß… Er schüttelte leicht den Kopf. Noch war Zeit. Man würde sehen.
    Die Sonne war untergegangen. Als sie im Raumschiff eintrafen, schliefen die anderen schon. Denn am nächsten Tag würde man sehr früh aufstehen müssen, um den Rückstart vorzubereiten, der für den übernächsten Tag geplant war. Den Starttermin entnahmen Ming und Tondo dem automatischen Rapport, den ihnen Ypsilon übermittelte. Und sie erfuhren noch mehr: Jeder der vier anderen hatte seine Meinung zum Start zu Protokoll gegeben, und alle bejahten ihn – Hellen und Juri unumwunden, Utta mit hörbarem Bedauern und nur Raja mit der Einschränkung, daß man hierbleiben und weiterforschen müsse, wenn auch nur die geringste Möglichkeit dazu vorhanden sei.
    Ming gab zu Protokoll, was sie erlebt hatten, und nach einer kleinen Pause setzte er hinzu: „Mit dem Start einverstanden.“
    Tondo sah ihm enttäuscht nach, wie er, anscheinend sehr müde, mit schleppenden Schritten davonging, ohne sich noch einmal umzusehen. Tondo verstand die Gefährten nicht. Plötzlich kamen ihm alle wie Fremde vor. Und waren sie das nicht auch? Vier Monate war man beieinander, die Vorbereitungszeit einbegriffen, man war gut miteinander ausgekommen, keine Reibereien, keine Schwierigkeiten in der Arbeit, aber auch keine Höhepunkte. Nun plötzlich schienen die anderen recht wesentlich abzuweichen von dem Idealbild, das er sich von Raumfahrern gemacht hatte. Oder war er es, der vom Normalen abwich? Aber war es denn nicht normal, daß der Mensch mit Leidenschaft zu forschen, zu erkennen trachtete? Und hatte die Menschheit nicht von Anbeginn des wissenschaftlichen Denkens auf diesen Augenblick gewartet? War dieser Augenblick nicht auch für alle künftigen Jahrmillionen unwiederbringlich – die erste Begegnung mit Brüdern im All?
    Das alles gab Tondo nicht zu Protokoll.
    Er sagte nur: „Ypsilon zu Rapport: Ich bin mit dem Start nicht einverstanden!“
     
    Als Tondo frühstückte, setzte sich Hellen zu ihm. Offenbar hatte sie Ypsilon beauftragt zu melden, wann Tondo aufgestanden war.
    „Nach euren gestrigen Ergebnissen“, sagte sie, „habe ich angewiesen, daß wir morgen termingemäß starten.“
    Tondo war mehr verwirrt als traurig. Mit dem Start hatte er sich schon fast abgefunden, es überraschte ihn eher, daß die endgültige Entscheidung erst am Morgen gefallen sein sollte. Aber daß gerade die fremdartige Kuppel, die er für einen überzeugenden Grund zum Hierbleiben gehalten hatte, den Ausschlag für die Startentscheidung gegeben hatte, verstand er

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