Die blaue Sonne der Paksi
natürlich nicht praktische Fragen der nächsten Wochen, die dich bewegen“, sagte er, als spräche er nur für sich selbst und ginge ausschließlich eigenen Überlegungen nach, „denn dann würdest du die Geräte befragen und Berechnungen anstellen, und außerdem ist das ja alles besprochen. Es sind demnach grundsätzliche Probleme, und du findest trotz intensiven Nachdenkens keine Lösung.“
„Ich sorge mich nicht, weil ich keine Lösung finde“, sagte Hellen überraschend klar und voller Spannkraft – sie hatte sich endlich entschlossen, mit Ming darüber zu sprechen. „Ich sorge mich, weil ich nicht abschätzen kann, inwieweit die Lösung der Rätsel dieses Planeten, wenn wir sie schon gefunden hätten, unser Handeln beeinflussen müßte.“
„Mit anderen Worten – weil wir aus prinzipieller Verkennung der Situation schwerwiegende Fehler machen könnten.“
„Schwerwiegend für uns – oder für die anderen. Deshalb wäre ich auch zufriedener gewesen, wenn wir rechtzeitig gestartet wären. Jetzt werden unsere jungen Leute alles bis aufs I-Tüpfelchen erforschen wollen.“
Statt einer Antwort stand Ming auf, füllte zwei Becher mit einem erfrischenden Getränk, stellte einen davon vor Hellen nieder und setzte sich wieder.
„Die Problematik der Begegnung mit einer Gesellschaft, die auf gleichem oder tieferem Niveau steht als wir, ist wenigstens theoretisch einigermaßen durchdacht“, fuhr Hellen fort, „und das ist auch möglich, weil gesellschaftliche Gesetze genauso universell gelten wie die Naturgesetze. Aber was ist, wenn diese Gesellschaft uns hunderttausend Jahre voraus ist? Auf einer höheren Stufe, die wir noch nicht kennen und in der vielleicht Gesetze wirken, von denen wir nicht die mindeste Vorstellung haben?“
„Aber die allgemeinsten Gesetze müßten auch da gelten“, entgegnete Ming. „Das zum ersten. Zweitens: Gerade dann müßten sie es leichter haben, uns zu verstehen, als wir sie. Und drittens: Wir haben nichts gefunden, was eine solche Vermutung rechtfertigen würde.“
„Erstens, zweitens, drittens…“, wiederholte Hellen abweisend, „wenn man mit erstens, zweitens, drittens hier etwas ausrichten könnte, wäre ich schon weiter.“
„Diese Gedanken“, meinte Ming, „sind dir doch nicht in der abstrakten Form gekommen, in der du sie jetzt äußerst?“
„Kennst du das Tamaroa-Paradies?“ fragte Hellen dagegen.
„Das ist doch diese Urlaubsinsel auf der Erde, wo die Leute mit Pfeil und Bogen durch den Urwald laufen und Tiere essen?“
Hellen lachte. „So kann man's auch nennen. Aber weißt du auch, wie das entstanden ist?“
„Wenn das der Ausgangspunkt für deine Überlegungen war, dann sag mir's bitte.“
Hellen lehnte sich zurück, überlegte eine Weile und begann zu erzählen. „Ich bin in der Südsee aufgewachsen, auf einer anderen Insel zwar, aber im selben Archipel. Ungefähr, als ich geboren wurde, entstand eine philosophische Schule mit dem Namen ‚Wohnraum Natur‘. Nachdem dieses Gedankengebäude errichtet und berechnet war, wurde seinen Anhängern ein Experimentierfeld zugewiesen. Eben die Insel Tamaroa. Damals war ich knapp zwanzig und gehörte zu den Anhängern dieser Schule.
Ausgangspunkt unserer Vorstellungen war folgendes: Die Spirale ist das mathematische Abbild des Entwicklungsverlaufs bei jedem komplizierten Prozeß, genauer: die Helix, also die im Raum gewundene Spirale. Oder, wenn du willst, die Wendel.
Die erste vollständige Windung durchlief die Menschheit vom Urkommunismus zum Kommunismus, vom Beherrschtsein durch die Naturbedingungen bis zur Beherrschung der Gesetze der Natur und der Gesellschaft. Aber wie sieht diese Beherrschung aus? Auch nachdem die letzten Schäden beseitigt waren, die die Klassengesellschaft angerichtet hatte, betrachtet man Natur und Gesellschaft streng voneinander getrennt, und das heute noch. Wir entnehmen rein mengenmäßig fünfundneunzig Prozent der Stoffe, die wir brauchen, aus unserem eigenen Abfall und nur noch fünf Prozent aus der Natur, und dieser Anteil sinkt weiter. Das ist jedem selbstverständlich, denn schon die Kinder lernen, daß es gar nicht anders geht. Wir verwenden gut die Hälfte unserer materiellen Mittel und Möglichkeiten darauf, die Natur zu erhalten. Ja, aber zu erhalten als Lieferant für Atemluft und allenfalls als Stätte der Erholung. Im übrigen verläuft unser menschliches Leben isoliert von der Natur, ganz gleich, ob wir in Städten oder Parksiedlungen wohnen. Und was
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