Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die blaue Sonne der Paksi

Die blaue Sonne der Paksi

Titel: Die blaue Sonne der Paksi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl-Heinz Tuschel
Vom Netzwerk:
lachte.
    Hellen begriff, daß er sich in einem Rauschzustand befand. Sie kannte das nur aus der medizinischen Literatur. In ganz seltenen Fällen war so etwas bei Laborarbeiten in der Pharmazie aufgetreten. Wahrscheinlich handelte es sich hier um eine Folgeerscheinung der Vergiftung und der nachfolgenden Sauerstoffdusche. Sie gab das ermittelte Krankheitsbild in den Computer, und der empfahl: ausschlafen.
    Das war sicher richtig – Hellen entsann sich, darüber gelesen zu haben –, nur war es leider unter den gegebenen Umständen nicht anwendbar, denn in etwa einer halben Stunde würden Utta und Juri beim Hubschrauber sein. Eine gezielte medikamentöse Behandlung war aber auch nicht möglich, da Hellen die Zusammensetzung des Giftes nicht kannte.
    Hellen beschloß, sich mit Tondo zu unterhalten, ihn geistig in Anspruch zu nehmen und dabei seinen Zustand weiter zu kontrollieren. Es wurde die seltsamste Unterhaltung, die sie in ihrem bisherigen Leben geführt hatte. Sie verlief gewissermaßen wellenförmig: Zeitweise antwortete Tondo auf Hellens Fragen ganz klar, wenn auch mit sprachlichen Schwierigkeiten, und auf die Weise erfuhr sie, daß ein Flügel der Luftschraube gebrochen war. Und dann gab es wieder Perioden, in denen Tondo nur Unsinn sprach, Witze erzählte, bekannte Melodien schauerlich falsch sang. Doch mit der Zeit wurden die klaren Perioden länger und die verwirrten kürzer. Hellen registrierte es mit Befriedigung.
    Endlich ertönten in Tondos Kopfhörern und aus Hellens Lautsprecher die Stimmen von Utta und Juri, die offenbar mit ihrem Helmfunk in den Empfangsbereich des Hubschraubers gekommen waren. Sie befanden sich, wie sich herausstellte, am Waldrand auf der anderen Seite des Tals, schräg gegenüber der Einmündung des Pfads, und beratschlagten, ob sie das Tal umgehen sollten, der Weißkittel wegen, was sehr viel Zeit gekostet hätte, oder ob sie es riskieren sollten, mitten durch die Reihen dieser Roboter vorzudringen.
    Utta hatte einen Einfall: Da die Roboter sich Tieren gegenüber anscheinend gleichgültig verhielten, solange sie ihnen nicht zu nahe kamen – warum sollten sie beide nicht Tiere spielen? Juri fand diesen Einfall ausgezeichnet, und bald darauf krochen die beiden auf allen vieren quer durch das Tal.
    Tondo konnte sie nicht sehen, aber er stellte sie sich vor, wie sie zwischen den Weißkitteln herumkrabbelten, und seine berauschte Phantasie machte das Bild noch viel komischer, als es in Wirklichkeit war. Er verspürte wieder eine übermütige Lustigkeit, die sich Luft machen wollte, und begleitete die mühsamen Bewegungen der Gefährten mit spöttischen Bemerkungen, bis Utta es nicht mehr aushielt. Sie wußte ja nichts von dem besonderen Zustand, in dem Tondo sich befand, und verbat sich über Helmfunk keuchend und verärgert seine Bemerkungen. „Halt endlich den Mund!“ rief sie. „Du machst Bruch, reißt blöde Witze, und wir strampeln uns deinetwegen hier ab. Und das eine Stunde vor dem Start!“
    Tondo war mit einem Schlag ernüchtert – wie war das nur möglich, er hatte überhaupt nicht mehr an den Start gedacht! Wie hatte er nur die ganze Zeit untätig hier herumsitzen können?
    Er schnallte sich los und kletterte aus dem Hubschrauber. Hellen fragte an, was er mache – sie erschrak, als er es sagte, erhob aber keinen Einspruch.
    Unten auf dem Boden dehnte und reckte Tondo sich. Die Glieder schmerzten ein wenig, aber er hatte sie wieder vollständig in der Gewalt.
    Der Hubschrauber stand in niedrigem Buschwerk, das den Pfad säumte, unmittelbar vor den ersten größeren Bäumen. An einem dieser Bäume war ein Flügel der Luftschraube zerschellt, Tondo sah deutlich die Narbe im Stamm. Er untersuchte den Hubschrauber, so gut er es in der Eile konnte, und fand, daß sonst nichts gebrochen war. Mit einiger Mühe, aber doch sicher, kletterte er hinauf und begann den Flügel zu demontieren.
    Er war jetzt guter Dinge – beinahe wäre der Start verhindert worden, wenn auch nicht direkt durch seine Schuld, so doch als Folge seiner Exkursion. Zwar wäre er für eine Verschiebung des Starttermins gewesen, aber nicht um den Preis einer Handlung, die dem Willen der anderen zuwiderlief. Das Denken durfte unterschiedlich, das Handeln mußte einmütig sein. Gegen diesen uralten Grundsatz menschlicher Tätigkeit zu verstoßen setzte ein Fehlen aller moralischen Maßstäbe voraus.
    Tondo war also fröhlich, daß nun alles wieder in Ordnung kam, und summte leise vor sich hin. Aber er

Weitere Kostenlose Bücher