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Die blaue Sonne der Paksi

Die blaue Sonne der Paksi

Titel: Die blaue Sonne der Paksi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl-Heinz Tuschel
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freundschaftlich-ironischer Kommentar zu Tondos Begeisterung gedacht, aber Tondo nahm sie ganz ernst. „Ja“, sagte er, „es ist doch eindeutig, auf wessen Seite hier der Fortschritt der Geschichte ist. Hast du Mings Buch gelesen? Viele werden noch überlaufen, und wenn die Zeit reif ist, unterstützen sie die Revolution. Wir müssen den Räubern helfen. Da, sieh mal, sie sind mit dem Abtransport noch nicht fertig, und gleich erreichen die Weißkittel wieder das Tal. Ich werde denen eine Graviwand in den Weg stellen!“
    Da aber meldete sich Hellen vom Raumschiff. „Es wird nicht eingegriffen“, sagte sie.
    Tondo widersetzte sich dieser direkten Weisung nicht. Andererseits aber war er an dem Punkt angelangt, wo er als Historiker klarer als die anderen zu sehen meinte und wo er die bisherige Passivität nicht mehr mit seinem Gewissen vereinbaren zu können glaubte. Er nahm also allen Mut zusammen. Es ist gewiß nicht einfach, sich Menschen entgegenzustellen, die man achtet und deren größere Erfahrung man respektiert. Es ist sogar ein bißchen schmerzlich, es hat etwas an sich von einer Aufkündigung eines engen Lehrer-Schüler-Verhältnisses, aber Tondo fühlte sich dazu gezwungen. „Gut“, sagte er. „Aber ich verlange eine allgemeine Versammlung!“
     
    Allgemeine Versammlungen sind selten, es gibt sogar Menschen, die ihr ganzes Leben lang nicht in die Lage kommen, an einer teilzunehmen, und die sie nur in künstlerisch verarbeiteter Form kennen. Das ist auch ganz natürlich, denn die Menschen sind gewohnt, in vernünftiger Übereinstimmung zu denken und zu handeln, und Situationen, in denen sich absolut gegensätzliche Meinungen darüber abwickeln, was vernünftig ist, gehören zu den großen Ausnahmen. Es handelt sich dabei in der Regel um so hochgradig komplizierte Situationen, daß keiner der Beteiligten mehr weiß, wie zu verfahren ist. Dann eben ist die Erregung, das erbitterte, oft sogar unvernünftige Verfechten von Standpunkten, die scharfe Polemik einer solchen allgemeinen Versammlung notwendig. Denn diese psychisch oft schmerzhaften Aufwallungen von Gegnerschaft sind die Geburtshelfer neuer Gedanken. Es gibt auch Theoretiker, die diese Form für einen Rückfall in frühere historische Epochen halten; aber die meisten, die eine solche Versammlung schon einmal erlebt haben, rühmen ihre geistige Ergiebigkeit und auch den Eindruck, daß sich bei der anschließenden Rückkehr in den Normalzustand die gewohnten freundschaftlich-kameradschaftlichen Beziehungen sogar gefestigt haben.
    Natürlich würde die Versammlung von sechs Kosmonauten nur eine Miniaturausgabe der auf der Erde üblichen Versammlungen sein, aber das änderte nichts an Tondos Lampenfieber, denn andererseits stand er als der Jüngste und Unerfahrenste hier in der Rolle des Herausforderers. Er hatte den ganzen folgenden Tag freibekommen, um sich vorzubereiten, und während die anderen die Ereignisse draußen verfolgten, während die Weißkittelabteilungen Wald und Gebirge weiter ostwärts durchkämmten, meist ähnlich erfolglos wie am Kamelrücken, während Ming und Juri sich in weitere Berechnungen über die Beschaffung von Normalraumtreibstoff vertieften, streifte Tondo ruhelos durch die Räume, setzte sich mal hierhin, mal dorthin, entwarf Formulierungen und verwarf sie wieder, hörte zwischendurch die Ypsilon-Rapporte der letzten Tage ab.
    Dabei stieß er zufällig auf eine Aufnahme vom vergangenen Abend, die gar nicht in die Rapporte gehörte – ein privates Gespräch zwischen Utta und Juri. So etwas kam gelegentlich vor, jemand benutzte zufällig und unbewußt im Gespräch das Kodewort für den Aufnahmestart, und wenn dann ein anderer auf diese Aufzeichnung stieß, hatte er die Pflicht, sie zu löschen.
    Eine kurze Strecke mußte Tondo aber doch hineinhorchen, um sich zu vergewissern, ob es sich wirklich um ein rein persönliches Gespräch handelte, und ein bißchen neugierig war er auch.
    „Wir sollten die allgemeine Versammlung benutzen, um uns öffentlich zu erklären“, sagte Utta, „natürlich nicht zu Beginn, wenn die Wogen hochsteigen, sondern am Schluß, wenn sie sich wieder geglättet haben, was meinst du?“
    „Bitte“, sagte Juri, „auf der Erde, erst wenn wir wieder auf der Erde sind!“
    Tondo befahl Ypsilon drei Minuten weiter, um zu sehen, wo die Aufnahme zu Ende war.
    „Du hast auf einer Raumreise geheiratet, gut“, sagte Utta, mit einem mühsam unterdrückten Zittern in der Stimme. „Es hat nicht

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