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Die blaue Sonne der Paksi

Die blaue Sonne der Paksi

Titel: Die blaue Sonne der Paksi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl-Heinz Tuschel
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Überlegung festigte in Tondo die Überzeugung, daß man hier eine Gesellschaft vor sich habe, eine Robotergesellschaft im Stadium der Ausbeuterordnung, und er ging nun daran, alle vorliegenden Tatsachen einmal in soziometrischen Schätzungen und Überschlagsberechnungen zusammenzufassen. Bekanntlich besteht das wichtigste Merkmal jeder Gesellschaft, auf welcher Stufe auch immer, darin, daß ihre Mitglieder produzieren, arbeiten, eine zweckgerichtete Tätigkeit ausüben, um sich und ihre Lebensbedingungen zu reproduzieren.
    Das Ergebnis seiner Berechnungen verblüffte Tondo selbst, und er teilte es sofort Raja im Schweber mit: Es mußte zwischen fünfzig- und hunderttausend Paksi geben! Das resultierte aus dem Umfang der beobachteten Produktion, aber auch aus den Zählungen an einigen ausgewählten Punkten. Nach Rajas vorliegenden Untersuchungen des Gehirns der Paksi – man hatte sich an den Gebrauch des Wortes Gehirn gewöhnt – hatte der einzelne Pak eine Lebensdauer von fünfzig bis hundert Jahren – auch „Leben“ und „Lebensdauer“ wurden nach anfänglichem Zögern gebraucht. Es ließ sich leicht errechnen, daß zur einfachen Reproduktion der Paksi die Herstellung von eins Komma vier bis fünf Komma fünf Paksi je Tag ausreichte. Das schien von der Menge her mit den beobachteten handwerklichen Methoden durchaus möglich. Absolut unklar und größter Fragepunkt des ganzen Schemas blieb jedoch, und das wandte Raja sofort ein, wie die Gehirne hergestellt wurden. Nach Rajas Überzeugung war dafür ein hochproduktiver wissenschaftlicher Gerätebau die Mindestvoraussetzung, aber das vertrug sich wiederum nicht mit dem sonstigen Stand der Produktivkräfte. Nach dem, was man bisher gesehen hatte, durfte man als höchste technische Entwicklungsstufe allenfalls manufakturähnliche Einrichtungen erwarten. Freilich war sich Raja darüber klar, daß ihre Argumente auf schwachen Füßen standen. Gehirne mußten ja nicht im gleichen Ausmaß reproduziert werden wie Roboter. Vielleicht genügte auf hundert neue Paksi ein neues Gehirn, vielleicht lag das Verhältnis noch günstiger, das ließ sich nicht genau feststellen. Vor allem aber beeindruckte sie die errechnete Zahl von Paksi mehr, als sie zugab. So viele Roboter, und ihr einzig erkennbarer Zweck ihre eigene Reproduktion – mußte das nicht wenigstens gesellschaftsähnliche Beziehungen schaffen? Und wo war dann überhaupt die Grenze zwischen einer Ansammlung technischer Objekte und einer Gesellschaft? Wenn man genau hinsieht, sinnierte sie, ist die Grenze fließend. Und sie war sich bewußt, daß sie damit schon im Begriff war, auf Tondos Positionen überzugehen.
    Der Abend brachte, wie erwartet, Klarheit über die geographischen Angaben bei den Paksi, und er brachte noch mehr: Aus der Verteilung der Weißkittel und den entsprechenden Befehlen ergab sich, warum sie überhaupt hierhergekommen waren. Die „Artillerie“, also die großen Spritzrohre, hatte Aufstellung genommen an der Biegung des großen Flusses, der von Süden kam, das Nordostende des Gebirges umströmte und dann diesseits am Gebirge nach Südwesten abfloß, den Wald hervorbringend, der südlich vom Raumschiff begann und nach Westen zu immer breiter wurde. Die Hauptmasse der Weißkittel hatte etwa fünfzig Kilometer westlich am Waldrand ihr Lager aufgeschlagen. Sie sollte morgen nach Süden in den Wald eindringen, bis zum Kamm des Gebirges, und dann ostwärts vorgehen. Einige kleinere Gruppen bis zu zweihundert Weißkitteln waren von hier bis zu diesem Lager längs des Waldrandes verteilt.
    Bei dieser Aufstellung und der bereits beobachteten Feindschaft zwischen den Weißkitteln und den Graubraunen war die Absicht klar: Die Graubraunen sollten vernichtet werden, vertrieben vielleicht oder eingefangen, jedenfalls bekämpft. Es gab ein Wort in den Befehlen, an dem Tondo lange herumgerätselt hatte, Kottpaksi, also etwa Tiermenschen, damit konnten nur die Graubraunen gemeint sein.
    „Wir sollten lieber bei dem Begriff ‚Räuber‘ bleiben“, schlug Ming vor. „Tiermenschen klingt sehr abwertend, und vielleicht ist es das in der Robotersprache gar nicht. Immerhin leben die Grauen im Wald, wie die Kottsi, und nicht in der Wüste, wo ein anständiger Pak offenbar hingehört.“
    „Und wie reproduzieren sich die Räuber?“ fragte Raja plötzlich.
    „Hast du denn nicht das Buch gelesen, daß ich euch empfohlen habe?“ fragte Ming zurück. „Sie reproduzieren sich, wie eben Räuber sich

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