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Die blaue Sonne der Paksi

Die blaue Sonne der Paksi

Titel: Die blaue Sonne der Paksi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl-Heinz Tuschel
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reproduzieren – durch Raub.“
    Bei Tondo rief diese beiläufige Äußerung eine Flut von Gedanken hervor. Plötzlich wurde ihm klar, daß Ming längst zu dem gleichen Ergebnis gekommen war wie er, nämlich daß es sich hier um gesellschaftliche Strukturen handelte. Das überraschte und beflügelte ihn, und sofort erkannte er, mit scheinbar spielerischer Leichtigkeit, weitere Zusammenhänge: Wenn die Räuber auf die Produktion im Bereich der Weißkittel angewiesen waren, dann konnten sie ihren Standort eben nur hier haben, in der Nordostecke des Waldes und Gebirges – hier konnten sie sich verstecken, und von hier aus konnten sie Raubzüge unternehmen. Der Südhang des Gebirges zum Beispiel oder die weiter westlich gelegenen Teile waren schon viel zu weit entfernt von den Quellen ihrer Reproduktion.
    Aber es gab auch Widersprüche, die ihm plötzlich klar wurden. Die Weißkittel ließen bei ihrer jetzigen Aufstellung den Räubern den Weg nach Süden frei, sie konnten über den Kamm des Gebirges wenigstens zeitweise auf die Südhänge ausweichen. Wozu aber dann die Artillerie östlich und nordöstlich des Flusses – die hatte doch nur Sinn, wenn vorausgesetzt wurde, daß die Weißkittel die Räuber aus dem Wald heraus- und vor die großen Rohre treiben würden? „Die Kuppel“, sagte Ming, „der Laserstrahl.“
    Es war beinahe unheimlich, wie Ming die Gedanken anderer verfolgen konnte. Manchmal hatte Tondo das Gefühl, alles, was er sich mühsam zusammenreimte, sei in Mings Kopf längst vorgedacht und werde von Ming nur nicht geäußert, um andere nicht um den Genuß des erfolgreichen Denkens zu bringen. Nun, das waren eben die Vorzüge des Alters der Weisheit, das Ming ja schon fast erreicht hatte. Was die Sache betraf, konnte er durchaus recht haben – vielleicht wagte kein Pak sich auf die andere Seite des Gebirges? Wenn sie in diesem Entwicklungsstadium eine Gesellschaft bildeten, dann mußten auch Mythen, Aberglauben, religiöse Gebote und Verbote eine beachtliche Rolle bei ihnen spielen. Nun, das würde der Verlauf des nächsten Tages ja zeigen!
     
    Noch vor Sonnenaufgang waren Raja und Tondo mit dem Schweber gestartet, beobachteten die Ereignisse in Wald und Gebirge und überspielten das Bild an das Raumschiff. Die Weißkittel waren nach Süden vorgedrungen, scheinbar unbehelligt, und marschierten nun auf allen Pfaden in Gruppen von je fünfzig ostwärts. Eine Abteilung Weißkittel drang von Südwesten her, einem gewundenen Pfad folgend, zum Tal am Kamelrücken vor, das die Beobachter ja gut kannten. Wenn der Wald rechts und links vom Pfad einmal etwas lichter wurde, konnten Tondo und Raja ab und zu die Gestalten von Räubern sehen, die den Zug begleiteten.
    Im Tal selbst tummelten sich die Räuber. Es sah aus, als schleppten sie wahllos Steine und Felsbrocken hin und her. Aber Tondo kam bald darauf, was das für einen Sinn hatte: Die Räuber wußten ja durch ihre Späher vom Anmarsch der Weißkittel und tarnten den so schon kaum erkennbaren Weg und den Eingang zur Höhle, in der sich ihr Ersatzteillager befand. Sicherlich war das nicht das einzige Lager, wahrscheinlich hatten die Räuber, im Gebirge verstreut, viele davon angelegt – es mußte ja auch viel mehr Räuber geben, als die Menschen bisher zu Gesicht bekommen hatten. Aber der Verlust dieser Vorräte hätte die Räuber natürlich in arge Bedrängnis gebracht, denn gewiß fiel ihnen nicht jeden Tag eine Karawane mit den benötigten Teilen in die Hände.
    Andererseits wußten die Weißkittel sicher, daß sich hier ein solches Lager befand, spätestens seit ihre Patrouille neulich in die Flucht geschlagen worden war, mußte ihnen das bekannt sein. Und vielleicht zielte die ganze Taktik des Iskatoksi nicht nur darauf ab, die Räuber auszutreiben, sondern auch darauf, diese Lager aufzuspüren und damit den Räubern die Existenzgrundlage zu entziehen?
    Als die Weißkittel in das Tal einmarschierten, war es leer. Und richtig: Sie begannen sofort, es zu durchsuchen.
    Die Beobachter hatten sich genau den Punkt gemerkt, an dem der Eingang zu der Höhle mit dem Vorratslager lag. Immer mehr näherten sich die Weißkittel dieser Stelle. „Jetzt müssen sie aber etwas unternehmen!“ murmelte Tondo.
    Und da brachen auch schon zehn, fünfzehn Räuber aus dem Wald und stürzten sich auf die verstreuten Weißkittel, hieben vier, fünf nieder, indem sie ihnen mit Stangen und axtartigen Waffen die Beine wegschlugen und die Arme zerbrachen.
    Aber schon

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