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Die blaue Sonne der Paksi

Die blaue Sonne der Paksi

Titel: Die blaue Sonne der Paksi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl-Heinz Tuschel
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stehen sozusagen auf ziemlich vertrautem Fuß. Trotzdem habe ich manchmal das Gefühl, er sagt auch nicht alles. Aber vielleicht entspringt das nur meiner eigenen Unsicherheit. Und selbst wenn er manchmal was verschweigt – ich kann es ihm nicht mal verdenken, ich habe da einen entscheidenden Fehler gemacht, Mißtrauen im falschen Moment. Aber Vertrauen? Mißtrauen? Man ist irgendwie hilflos dieser Gesellschaftsordnung gegenüber. Manchmal denke ich, sie sind aus dem Stadium heraus, in dem man ihnen direkt helfen könnte, und für gleichberechtigte Kontakte sind sie noch nicht reif.“
    Tondo nahm das Stichwort auf, das Raja gegeben hatte. „Kontakte! Ja, unsere Kontakte! Wir haben einen völlig einseitigen Kontakt zu den Herrschenden. Von den Beherrschten erfahren wir nichts. Nehmen wir die Räuber, was haben sie für Motive? Was für Ziele? Was für Ideen? Warum haben wir keinen Kontakt zu ihnen? Das Bauxit wird verarbeitet, die Alukatalysatoren sind fertig, die Anlage läuft automatisch, die Ausrede, daß wir zu beschäftigt sind, zieht auch nicht mehr – aber wir unternehmen nichts. Wir sind froh, wenn uns keiner was tut. Und die Herrschenden sind auch froh, wenn wir ihnen nichts tun, und so sind alle froh, ist das nicht schön? Die Fragen von deinem Götterboten – sie verraten auch nichts. Höchstens die hohe Kunst, so zu fragen, daß die andere Seite daraus keine Rückschlüsse ziehen kann. Allenfalls, daß die Götter ein bißchen von den Anfängen der Astronomie verstehen. Aber daß sie Nachtroboter haben, wußten wir schon, die normalen Paksi bekommen ja den Sternenhimmel nie zu sehen. Ist übrigens komisch: Götter, die sich nach dem Himmel erkundigen…“
    So redeten Raja und Tondo nebeneinanderher, aber es waren nur dem äußeren Anschein nach. Monologe. Sie redeten nicht aneinander vorbei, sondern stimmten sich auf ein gemeinsames Ziel ein, das ihnen selbst noch nicht bewußt war. Vielleicht harmonisierten sie so, weil gerade sie beide diejenigen gewesen waren, die von Anfang an ganz bestimmte Hypothesen vertreten hatten, gegensätzliche zwar, aber doch bestimmte. Nach und nach wurde das Gespräch zu einer Durchmusterung des gesamten, bisher gesammelten Wissens über die Paksi, und nirgends ergab sich ein Punkt, in dem der eine dem anderen hätte widersprechen wollen.
    Raja griff Tondos letzte Bemerkung auf. „Götter…, Götter…, das Wort stimmt einfach nicht. Die Götter sind selbst Paksi, die neuen wenigstens, wenn ich die Geste des Götterboten richtig verstanden habe, und ich habe sie richtig verstanden, weil ich in der Deutung solcher Gesten Übung habe. In der Residenz haben die Wände Ohren, wenn einer dir etwas sagen will, was er nicht darf, geht er ins Freie oder gebraucht die Hände entsprechend. Vielleicht sind die neuen Götter eine privilegierte Gruppe, die das Monopol der Gehirnproduktion hat. Der Begriff Priesterschaft käme vielleicht ihrer wirklichen Rolle noch am nächsten…“
    „Die alten Götter waren wie Kottsi, sagen die verbotenen Lieder“, erinnerte Tondo, „also wohl biologisch entstandene gesellschaftliche Wesen. Mir scheint, daß hier auch die religiösen Abstraktionen mehr realen Gehalt haben als in der irdischen Geschichte. Wenn man nur dahinterkäme, was dieses ‚Vier gleich fünf‘ bedeutet. Vier Dinge haben die Paksi von den alten Göttern: die Seele, den Körper, die Sprache, das Symbol der blauen Sonne und das verlorene Wort. Was könnte der reale Hintergrund für diesen Widerspruch sein?“
    „Vielleicht steckt das verlorene Wort in einem der anderen vier Dinge?“ sagte Raja.
    An dieser Stelle unterbrach Hellen sie. Sie war an den Rand der Zisterne getreten und hatte wohl die letzten Sätze mitgehört. „Fachsimpelt ihr?“ fragte sie.
    „Ach wo“, meinte Raja. „Wir jammern uns nur gegenseitig etwas vor.“
    „Na, dann ist es ja gut“, antwortete Hellen, auf den Ton eingehend. „Übrigens wollte ich noch etwas mit euch besprechen, weil Raja nachher wieder aufbrechen muß. Es gefällt mir gar nicht, daß Raja jetzt vom Iskatoksi in Ruhe gelassen wird. Er hat so viel gewagt, um die Steine zu bekommen, ich kann mir einfach nicht vorstellen, daß er jetzt so eingeschüchtert sein sollte. Warum hat er das gewagt? Nur aus Habgier? Ich glaube eher, daß irgendwelche Machtfragen damit verbunden sind, die wir nicht durchschauen. Ihr müßt beide versuchen, von eurem jeweiligen Partner soviel wie möglich darüber zu erfahren. Wir müssen die

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