Die blauen Tyrannen
Etwa die Hälfte der toten Stadt war durchquert. Jeden Augenblick konnte der gefährliche Streifen auftauchen, dieser schwarze Streifen, der sich durch seine Kahlheit vom saftstrotzenden Grün der Landschaft deutlich abgehoben hatte. Aber man mußte doch innerhalb einer bestimmten Entfernung sein, um ihn erkennen zu können.
„Na, komm schon!“ ermunterte der Regent sein Tier, das auf einmal störrisch zu werden begann. Gleich darauf weigerten sich auch die übrigen Pferde, noch einen einzigen Schritt weiterzugehen.
„Das ist das Zeichen!“ bemerkte Mike. „Es ist soweit. Wir haben das schon einmal erlebt. Stimmt’s, Kameraden?“
Yen und Jim nickten unruhig. Sie sprachen kein Wort mehr. Das Wagnis begann erst jetzt wirklich.
„Wenig von dieser Stelle entfernt muß sich der Streifen befinden“, erläuterte Mike weiter. „Die Pferde müssen das irgendwie spüren. Bei unserem ersten Versuch haben sie sich ebenfalls kurz vorher gesträubt. Ich würde vorschlagen, die Tiere hier festzubinden. Wir sollten von jetzt ab besser allein zum Berg des Gottes gehen.“
„Warum, meine Freunde?“ wandte Raig Paral verwundert ein. „Wollt ihr diesen merkwürdigen Mann aus dem Weltall etwa unter den Arm nehmen? Was hältst du davon, Mike, wenn wir zunächst versuchen, allein durchzukommen? Sowie wir jenseits des Streifens sind, gehst du zurück und holst die Pferde nach. Ich bin sicher, du bist der einzige von uns, der den Streifen ungehindert immer wieder passieren kann. Wenn ich diese Überzeugung nicht besäße, hätte ich euch niemals begleitet. Ihr würdet nicht einmal das Geheimnis erfahren haben, weil ich nämlich noch immer auf den bewußten Farbigen warten würde.“
Die Worte des Königs hatten Mike verstärkten Ansporn gegeben. Er wußte, alle verließen sich nur auf ihn.
„Also gut. Ich stimme deiner Ansicht bei, mein König. Wir müssen es schaffen. Später hole ich dann die Pferde. Ich habe mir nun folgendes überlegt. Ihr alle glaubt, daß nur ich den Streifen durchbrechen kann. Ich will aber nicht allein gehen. Ihr müßt mich begleiten, und ich schätze, wenn wir uns alle anfassen, dann wird der Berg uns als Einheit respektieren, da ihr ja mit mir verbunden seid. Entweder ich komme durch – dann wird es auch euch gelingen –, oder es war alles vergebens. Seid ihr einverstanden?“
Die Männer nickten ernst, und Eila drückte fest die Hand des geliebten Mannes. Dann wurden die Pferde in sicherer Entfernung von dem Streifen festgebunden.
Gleich darauf gingen sechs Menschen in einer engen Kette langsam auf den gefährlichen Kreis zu, der vor ihnen schon als dunkler Streifen zu erkennen war. Der Streifen ließ sie an nichts anderes denken. Er zog sie magisch an.
Zwei Meter noch …
Dann warf sich Mike vor, trat mitten hinein in das Schwarze, riß die anderen mit sich. Und es passierte gar nichts. Nicht das geringste Zeichen von elektrischer Ladung raste durch die Körper der Menschen. Sie waren durch. Der Streifen hatte sie schadlos passieren lassen.
Jetzt brach die lang aufgestaute Anspannung sich Bahn. Eila barg schluchzend ihren Kopf an Mikes Schultern. Yen und der Schwarze warfen sich in ihrer schnurrigen Art die unglaublichsten Worte entgegen. Jim lachte wie von Sinnen, als könnte er es noch nicht fassen, brach dann aber unvermittelt ab, stieß ein ersticktes „Verdammt!“ aus und starrte sprachlos auf den König und Glenn Hawkins, die stumm zum Gipfel des Berges sahen.
„Mike!“ schrie er dann. „Da, auf dem Berg! Ein Licht, ein ganz helles, strahlendes Licht. Es gilt uns!“
Langsam wandte sich der König um. Er griff in eine Tasche seines Gewandes und holte den Schlüssel hervor, von dem der Hüter des Berges gesagt hatte, er allein könne den Berg öffnen.
„Wer diesen Schlüssel in Form einer Kodeplatte besitzt, ist Herr über Terra. Nur einer vermochte es, den Streifen zu durchbrechen. Er wird auch das Geheimnis lösen können. Der Fluch meiner Rasse ist gebrochen. Du bist es, Mike, der das Wunder vollbringen kann. Ich wußte es. Der nun von uns passierte Streifen ist der Beweis dafür. Nie hat über dem Berg ein Licht geleuchtet. Jetzt aber erstrahlt es im Augenblick unseres Durchbruches, um uns den Weg zu weisen, den wir einschlagen müssen. Du wirst die Erde retten, Mike. Die farbigen Rassen sollen das Erbe der Blauen antreten. Zum Zeichen deiner Gewalt übergebe ich dir diesen Schlüssel. Du bist unser neuer König.“
Raig Paral lächelte mit der Zufriedenheit eines
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