Die blauen Tyrannen
es!“ antwortete Mike mit hoffnungsfroher Stimme für seine Freunde und sich selbst.
4. Kapitel
Sie standen wieder an der gleichen Stelle des roten Sperrzaunes, an der sie bereits einmal durchgebrochen waren. Aber diesmal waren sie nicht ganz ohne Wissen einem völlig Unbekannten ausgesetzt, das sie immer mit dem Begriff Berg des Gottes identifiziert hatten, Der Name war geblieben; denn er hatte sich über Jahrhunderte immer fester im Bewußtsein der Völker verankert. Ein Mensch, ein Weißer, hatte behauptet, das Werk der Vernichtung im Mont Blanc geschaffen zu haben, nicht Gott. Aber es mußte noch etwas anderes dort geben, etwas, das einstmals dort im Berg behütet worden war und von dem der Weiße geglaubt hatte, daß es die farbigen Völker zu Siegern über die blauen machen könne. Sie wußten nicht, worin das Geheimnis bestehen würde.
Am Himmel war der gelbe Schleier des Schutzschirmes sichtbar, der bis an das Gebirge hatte ausgedehnt werden können. Diesmal hatte sich die Zahl der Abenteurer verdoppelt. Außer den drei Freunden waren auch Eila, der König und Glenn Hawkins mitgekommen. Sie alle ritten kräftige Pferde.
Der Transporter, der sie bis an den Sperrzaun gebracht hatte, stand in einer kleinen Mulde verborgen. Bald war er den Blicken der Reiter entschwunden. Das stumme Besatzungsmitglied des gelandeten Raumschiffes war über ein besonders starkes Tier gebunden worden. Rauschend bahnten sich die Wasser der Arve ihren Weg durch das enge Tal, dessen umgebende Felsen bis in den Himmel zu reichen schienen. Die Sonne stand im Zenit.
Mike Humphrey ritt mit Eila an der Spitze. Er kannte den Weg, und so würde nicht kostbare Zeit verschwendet werden müssen, bis die Trümmer der versunkenen Stadt Chamonix erreicht waren. Das Flugzeug wäre in den engen Tälern nur hinderlich gewesen, zumal aus der Vogelschau der gefährliche Streifen leicht übersehen werden konnte. Ein solches Risiko durfte jedoch nicht eingegangen werden.
„Du hast mir von diesem seltsamen Streifen erzählt, Mike, der euch vor wenigen Tagen gehindert hat, näher an den Berg heranzukommen“, brach Eila das Schweigen.
Mike sah sie unruhig an. „Wir sollten lieber nicht davon sprechen. Wir werden es noch früh genug erfahren. Bald sind wir nämlich dort. Das Tal wird schon breiter.“
Das Mädchen sah ihn liebevoll an. „O Mike, ich fürchte mich. Das muß ich ehrlich zugeben. Aber Vater ist ein kluger Mann. Er wird sich nicht irren.“
„Es wird schon nicht so schlimm werden. Meine Kameraden wurden doch auch nur zurückgeschleudert. Vielleicht wären sie getötet worden, wenn sie es gewaltsam versucht hätten. Doch zunächst hat der Streifen sie lediglich gelähmt. Schlimmer wird es uns auch nicht ergehen, da wir im Notfall rechtzeitig zurückweichen können. Anders sähe es schon aus, wenn wir in der schweren Transportmaschine mit größerer Geschwindigkeit auf den Streifen zurasen würden. Das Beispiel des verglühten Weltraumschiffes hat mich gewarnt. Deshalb habe ich uns auch nur bis an den Sperrzaun befördern lassen. Als wir damals zurückritten, hatte ich vor, deinen Vater oder einen anderen maßgebenden Blauen zu überfallen, weil ich dachte, nur ein Blauer könnte uns helfen, das Geheimnis zu lüften. Jetzt weiß ich, daß auch ihr nicht dazu in der Lage seid. Also bleibt uns nur die Hoffnung, daß ich tatsächlich der Farbige bin, von dem der tote Hüter des Berges einst gesprochen hat. Ich kann es eigentlich nicht recht glauben. Warum sollte ausgerechnet ich …?“
Eilas Augen blitzten vor innerer Überzeugung. Ganz eng trieb sie ihr Pferd an Mikes Reittier heran.
„Du bist dieser Mann, Mike! Ich weiß es. Niemand hat es vor dir gewagt. Du mußt nur ganz fest daran glauben!“
„Stop!“ befahl Mike plötzlich hastig. „Ich denke, wir haben’s bald geschafft. Da vorn sind schon die ersten Trümmer der zerstörten Stadt zu erkennen. Wir wollen besser absteigen und die Tiere führen.“
Willig ordneten sich die Gefährten einschließlich dem König Mikes Worten unter. Sie hatten ihn als Führer anerkannt. Zögernd schritten sie jetzt durch die vom Unkraut, von vereinzelten Büschen und Bäumen überwachsenen Straßen, auf denen einstmals Tausende von chromglitzernden Straßenkreuzern dahingeglitten waren. Kaum noch etwas zeugte von der vergangenen Pracht dieser alten französischen Stadt am Fuß des Mont Blanc, der in majestätischer Unberührtheit im Süden emporragte.
Aufmerksam sah Mike sich um.
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