Die Blechtrommel
dir im Siegerkranz«, hörte sich noch beifallsfreudig des Prinzen Heinrich Taufrede auf Seiner Majestät Schiff »Columbus« an, verdrückte sich nach geglücktem Stapellauf mit der Menge in halb getrockneten Kleidern vom Festgelände und avancierte am nächsten Tag schon — hier trifft sich die erste mit der zweiten Rettungsversion — zum blinden Passagier auf einem der berühmt berüchtigten griechischen Tanker.
Der Vollständigkeit halber sei hier noch die dritte unsinnige Fabel erwähnt, die meinen Großvater gleich Treibholz in die offene See treiben ließ, wo ihn prompt Fischer aus Bohnsack auffischten und außerhalb der Dreimeilenzone einem schwedischen Hochseekutter übergaben. Dort, auf dem Schweden, ließ ihn die Fabel dann langsam und wunderbarerweise wieder zu Kräften kommen, Malmö erreichen — und so weiter, und so weiter.
Das alles ist Unsinn und Fischergeschwätz. Auch gebe ich keinen Pfifferling für die Aussagen jener in allen Hafenstädten gleich unglaubwürdigen Augenzeugen, welche meinen Großvater kurz nach dem ersten Weltkrieg in Buffalo USA gesehen haben wollen. Joe Colchic soll er sich genannt haben.
Holzhandel mit Kanada gab man als sein Gewerbe an. Aktien bei Streichholzfirmen. Begründer von Feuerversicherungen. Schwerreich und einsam beschrieb man meinen Großvater: in einem Wolkenkratzer hinter riesigem Schreibtisch sitzend, Ringe mit glühenden Steinen an allen Fingern tragend, mit seiner Leibwache exerzierend, die Feuerwehruniform trug, polnisch singen konnte und Phönixgarde hieß.
FALTER UND GLÜHBIRNE
Ein Mann ließ alles zurück, fuhr über das große Wasser, kam nach Amerika und wurde reich. — Ich will es genug sein lassen mit meinem Großvater, ob er sich nun polnisch Goljaczek, kaschubisch Koljaiczek oder amerikanisch Joe Colchic nannte.
Es bereitet Schwierigkeiten, auf einer simplen, in Spielzeugläden und Kaufhäusern erhältlichen Blechtrommel hölzerne, mit dem Fluß fast bis zum Horizont hinlaufende Flöße abzutrommeln.
Dennoch ist es mir gelungen, den Holzhafen, alles Treibholz, in Flußbuchten schlingernd, im Schilf verfilzt, mit weniger Mühe die Hellingen der Schichauwerft, der Klawitterwerft, der vielen, teilweise nur Reparaturen ausführenden Bootswerften, das Schrottlager der Waggonfabrik, die ranzigen Kokoslager der Margarinefabrik, alle mir bekannten Schlupfwinkel der Speicherinsel abzutrommeln.
Er ist tot, gibt mir keine Antwort, zeigt kein Interesse für kaiserliche Stapelläufe, für den oft Jahrzehnte währenden, mit dem Stapellauf beginnenden Untergang eines Schiffes, das in diesem Fall »Columbus« hieß, auch der Stolz der Flotte genannt wurde, selbstverständlich Kurs auf Amerika nahm und später versenkt wurde, oder sich selbst versenkte, vielleicht auch gehoben und umgebaut, umgetauft oder verschrottet wurde. Womöglich tauchte sie nur, die »Columbus«, machte es meinem Großvater nach, und treibt sich heute noch mit ihren vierzigtausend Tonnen, mit Rauchsalon, Turnhalle in Marmor, Schwimmbassin und Massagekabinen in, sagen wir, sechstausend Meter Tiefe des Philippinengrabens oder Emdentiefs herum; man kann das nachlesen im »Weyer« oder in Flottenkalendern — ich glaube, die erste oder zweite »Columbus« versenkte sich selbst, weil der Kapitän irgendeine mit dem Krieg zusammenhängende Schande nicht überleben wollte.
Einen Teil der Floßgeschichte habe ich Bruno vorgelesen, dann, um Objektivität bittend, meine Frage gestellt.
»Ein schöner Tod!« schwärmte Bruno und begann sofort meinen ertrunkenen Großvater mittels Bindfaden in eine seiner Knotengeburten zu verwandeln. Ich sollte mit seiner Antwort zufrieden sein und nicht mit tollkühnen Gedanken nach USA auswandern und ein Erbe erschleichen wollen.
Meine Freunde Klepp und Vittlar besuchten mich. Klepp brachte eine Jazzplatte mit zweimal King Oliver, Vittlar reichte geziert tuend ein am rosa Band hängendes Schokoladenherz. Sie trieben allerlei Unsinn, parodierten Szenen aus meinem Prozeß, und ich zeigte mich, um ihnen eine Freude zu machen, wie an allen Besuchstagen aufgeräumt und selbst den dümmsten Scherzen gegenüber eines Gelächters fähig. So unter der Hand und bevor Klepp seinen unvermeidlichen Lehrvortrag über die Zusammenhänge zwischen Jazz und Marxismus starten konnte, erzählte ich die Geschichte eines Mannes, der im Jahre dreizehn, also kurz bevor es los ging, unter ein schier endloses Floß geriet, nicht mehr hervorkam; selbst seine Leiche habe man nicht
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