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Die Blechtrommel

Die Blechtrommel

Titel: Die Blechtrommel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Günter Grass
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eine Kritik nicht ganz und gar versagen: hatte doch ein Barbar dem Schrank hastig und splitterreißend die Füße abgesägt, um ihn platt und verzogen auf die Dielen zu stellen.
    Die innere Ordnung des Möbels war tadellos. Rechts stapelten sich in drei tiefen Fächern die Leibwäsche und die Blusen. Weiß und rosa wechselten mit einem hellen, sicher waschechten Blau.
    Zwei miteinander verbundene rotgrün karierte Wachstuchtaschen hingen nahe den Wäschefächern an der Innenseite der rechten Schranktür und bewahrten oben die geflickten, unten die durch Laufmaschen verletzten Damenstrümpfe auf. Verglichen mit jenen Strümpfen, die Maria von ihrem Chef und Verehrer geschenkt bekam und auch trug, wollten mir die Gewebe in den Wachstuchtaschen zwar nicht gröber, doch dichter und haltbarer vorkommen. Im geräumigen Teil des Schrankes hingen links auf Kleiderbügeln matt glänzende, gestärkte Krankenschwesterntrachten. Im Hutfach darüber reihten sich empfindlich, keine unkundige Berührung vertragend, die schlichtschönen Schwesternhäubchen. Nur einen kurzen Blick warf ich auf die links von den Wäschefächern versorgten zivilen Kleider. Die nachlässige und billige Auswahl bestätigte meine stille Hoffnung: nur mäßiges Interesse widmete Schwester Dorothea diesem Teil ihrer Ausstattung. So nahmen sich auch die drei oder vier topfähnlichen Kopfbedeckungen, die nachlässig und ihre jeweiligen komischen Blumenimitationen drückend, im Hutfach neben den Häubchen übereinander hingen, insgesamt wie ein mißglückter Kuchen aus. Gleichfalls lehnten imHutfach ein schmales Dutzend buntrückige Bücher gegen einen mit Wollresten gefüllten Schuhkarton.
    Oskar legte den Kopf schief, mußte nähertreten, um die Titel lesen zu können. Nachsichtig lächelnd stellte ich den Kopf wieder senkrecht: die gute Schwester Dorothea las Kriminalromane. Doch genug vom zivilen Teil des Kleiderschrankes. Durch die Bücher nun einmal nahe an den Kasten herangelockt, behielt ich den günstigen Platz, mehr noch, ich beugte mich ins Innere, wehrte mich nicht mehr gegen den immer stärker werdenden Wunsch, dazugehören zu dürfen, Inhalt des Schrankes zu sein, dem Schwester Dorothea einen nicht geringen Teil ihres Aussehens anvertraute.
    Die praktisch sportlichen Schuhe, die im unteren Teil des Kastens mit flachen Absätzen auf der Bodenplatte standen und peinlich geputzt auf Ausgang warteten, mußte ich nicht einmal zur Seite räumen. Fast absichtsvoll einladend war die Ordnung des Schrankes so bestellt, daß Oskar in der Mitte des Gehäuses mit angezogenen Knien, auf den Hacken ruhend, ohne ein Gewand drücken zu müssen, genug Platz und Obdach fand. So stieg ich ein und versprach mir viel davon. Dennoch kam ich nicht sogleich zur Sammlung. Oskar fühlte sich durch Inventar und Glühbirne der Kammer beobachtet. Um meinen Aufenthalt im Schrankinneren intimer zu gestalten, versuchte ich die Schranktüren zuzuziehen. Es ergaben sich Schwierigkeiten, denn die Riegel an den Anschlagleisten der Türen waren ausgeleiert, erlaubten dem Holz, oben zu klaffen; es fiel Licht, doch nicht genug Licht, um mich stören zu können, in den Kasten. Dafür vermehrte sich der Geruch. Alt, sauber, nicht mehr nach Essig, sondern unaufdringlich nach mottenvertreibenden Mitteln roch es; es roch gut.
    Was tat Oskar, als er im Schrank saß? Er lehnte die Stirn an das erste Berufskleid der Schwester Dorothea, eine Ärmelschürze, die am Hals schloß, fand sogleich zu allen Stationen des Krankenhauswesens die Türen offen — da griff meine rechte Hand, vielleicht eine Stütze suchend, nach hinten, an den zivilen Kleidern vorbei, verirrte sich, verlor den Halt, griff zu, hielt etwas Glattes, Nachgebendes, fand endlich — das Glatte noch im Griff haltend — eine stützende Leiste und rutschte einer Querlatte entlang, die waagerecht draufgenagelt mir und der hinteren Kastenwand Halt bot; schon hatte Oskar die Hand wieder rechts von sich, zufrieden hätte er sein können, da zeigte ich mir, was ich in meinem Rücken gegriffen hatte.
    Ich sah einen schwarzen Lackgürtel, sah aber sogleich mehr als den Lackgürtel, weil es im Kasten so grau war, daß mein Lackgürtel nicht nur ein solcher sein mußte. Genauso hätte es auch etwas anderes bedeuten können, etwas genauso Glattes, Gestrecktes, das ich als unentwegt dreijähriger Blechtrommler auf der Hafenmole zu Neufahrwasser gesehen hatte: meine arme Mama im marineblauen Frühjahrsmantel mit den himbeerfarbenen

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