Die Blechtrommel
Aufschlägen, Matzerath im Paletot, Jan Bronski mit Sammetkragen, an Oskars Matrosenmütze das Band mit goldgestickter Inschrift »SMS
Seydlitz« gehörten mit zur Partie, und Paletot und Sammetkragen sprangen vor mir und Mama, die wegen der Stöckelschuhe nicht springen konnte, von Stein zu Stein bis zum Seezeichen, unter dem der Angler saß mit der Wäscheleine und dem Kartoffelsack voller Salz und Bewegung. Wir aber, die wir den Sack und die Leine sahen, wollten wissen, warum der Mann unter dem Seezeichen mit einer Wäscheleine angelte, doch der Kerl aus Neufahrwasser oder Brösen, wo er auch herkam, lachte und spuckte braun dick ins Wasser, daß es noch lange neben der Mole schaukelte und nicht vom Fleck kam, bis eine Möwe es mitnahm; denn eine Möwe nimmt alles mit, ist keine empfindliche Taube, schon gar keine Krankenschwester — es wäre auch allzu einfach, könnte man alles, was Weiß trägt, in einen Hut werfen, in einen Schrank stecken, dasselbe kann man von Schwarz sagen, denn damals fürchtete ich mich noch nicht vor der Schwarzen Köchin, saß furchtlos im Schrank und wiederum nicht im Schrank, stand ähnlich furchtlos bei Windstille auf der Hafenmole zu Neufahrwasser, hielt hier den Lackgürtel, dort etwas anderes, das zwar auch schwarz und schlüpfrig und dennoch kein Gürtel war, suchte, weil ich im Schrank saß, nach einem Vergleich, denn Schränke zwingen dazu, nannte die Schwarze Köchin, doch ging mir das damals noch nicht unter die Haut, war in punkto Weiß viel beschlagener, wußte zwischen einer Möwe und Schwester Dorothea kaum zu unterscheiden, wies aber Tauben und ähnlichen Unsinn von mir, zumal es nicht Pfingsten war, sondern Karfreitag, da wir nach Brösen fuhren und später zur Mole gingen — auch gab es keine Tauben über dem Seezeichen, unter dem der Kerl aus Neufahrwasser mit der Wäscheleine saß, saß, auch spuckte. Und als der Kerl aus Brösen die Leine einholte, bis dann die Leine aufhörte und bewies, warum es so schwer gewesen war, sie aus dem brackigen Mottlauwasser zu ziehen, als meine arme Mama dann Jan Bronski die Hand auf Schulter und Sammetkragen legte, weil ihr der Käse ins Gesicht trat, weil sie weg wollte, und mußte dann doch zusehen, wie der Kerl den Pferdekopf auf die Steine klatschte, wie die kleineren, seegrünen Aale aus den Zotteln fielen, und die größeren, dunkleren würgte er aus dem Kadaver, als gelte es Schrauben zu ziehen, und jemand zerriß ein Federbett, ich meine, Möwen kamen, die stießen zu, weil Möwen, wenn sie zu dritt oder noch mehr sind, einen kleinen Aal ohne Mühe schaffen, während größere Burschen Schwierigkeiten bereiten. Da aber sperrte der Kerl dem Rappen das Maul auf, zwängte ihm ein Stück Holz zwischen das Gebiß, was den Gaul lachen ließ, und griff hinein mit seinem haarigen Arm, packte zu, faßte nach, wie ich im Schrank zupackte, nachfaßte, so hatte auch er und zog raus, wie ich den Lackgürtel, er zwei auf einmal, und schlenkerte die in der Luft, knallte die auf die Steine, bis meiner armen Mama das Frühstück aus dem Gesicht sprang, was aus Milchkaffee, Eiweiß und Eigelb, auch bißchen Marmelade und Weißbrotbrocken bestand und so reichlich war, daß sich die Möwen gleich schräg stellten, ein Stockwerk tiefer zogen, gespreizt ansetzten, vom Geschrei wollen wir gar nicht reden, auch daß die Möwen böse Augen haben, ist allgemein bekannt, und ließen sich nicht vertreiben, von Jan Bronski gewiß nicht, denn der hatte Angst vor den Möwen und hielt beide Hände vor seine beiden blauen Kulleraugen, auf meine Trommel hörten die auch nicht, sondern schlangen in sich hinein, während ich auf dem Blech wütend und auch begeistert manch neuen Rhythmus fand, aber meiner armen Mama war das alles egal, die war voll und ganz beschäftigt und würgte und würgte, kam aber nichts mehr, weil sie nicht allzuviel gegessen hatte, denn Mama wollte schlank werden, deshalb turnte sie auch zweimal in der Woche bei der Frauenschaft, aber das half kaum was, weil sie heimlich doch aß und immer einen kleinen Ausweg fand, wie auch der Kerl aus Neufahrwasser, aller Theorie zum Trotz, als Abschluß, da alle Anwesenden dachten, jetzt kommt nix mehr, dem Gaul einen Aal aus dem Ohr zog. Ganz voller weißer Grütze war der, weil er dem Gaul im Hirn gestöbert hatte. Wurde aber solange geschlenkert, bis die Grütze abfiel, bis der Aal seinen Lack zeigte und wie ein Lackgürtel glänzte, denn das will ich damit gesagt haben: solch einen Lackgürtel
Weitere Kostenlose Bücher