Die Blechtrommel
ja zu mir ins Bettchen gehörte, eine oder mehrere Glühbirnen unserer viermal sich Mühe gebenden Wohnzimmerhängelampe. So versetzte ich an meinem vierten Geburtstag, Anfang September achtundzwanzig, die versammelte Geburtstagsgesellschaft, die Eltern, die Bronskis, die Großmutter Koljaiczek, Schefflers und Greffs, die mir alles mögliche geschenkt hatten, Bleisoldaten, ein Segelschiff, ein Feuerwehrauto — nur keine Blechtrommel; sie alle, die da haben wollten, daß ich mich mit Bleisoldaten abgäbe, daß ich den Irrsinn einer Feuerwehr spielenswert fände, die mir meine zerschlagene, aber brave Trommel nicht gönnten, die mir das Blech nehmen und dafür das alberne, obendrein unsachgemäß mit Segeln besetzte Schiffchen in die Hände drücken wollten, alle die da Augen hatten, um mich und meine Wünsche zu übersehen, versetzte ich mit einem rundlaufenden, alle vier Glühbirnen unserer Hängelampe tötenden Schrei in vorweltliche Finsternis.
Wie nun Erwachsene einmal sind: nach den ersten Schreckensrufen, fast inbrünstigem Verlangen nach Wiederkehr des Lichtes, gewöhnten sie sich an die Dunkelheit, und als meine Großmutter Koljaiczek, die als einzige außer dem kleinen Stephan Bronski der Finsternis nichts abgewinnen konnte, mit dem plärrenden Stephan am Rock Talgkerzen aus dem Laden holte und mit brennenden Kerzen, das Zimmer aufhellend, zurückkam, zeigte sich die restliche, stark angetrunkene Geburtstagsgesellschaft in merkwürdiger Paarung.Wie zu erwarten war, hockte Mama mit verrutschter Bluse auf Jan Bronskis Schoß. Unappetitlich war es, den kurzbeinigen Bäckermeister Alexander Scheffler fast in der Greffschen verschwinden zu sehen, Matzerath leckte an Gretchen Schefflers Gold-und Pferdezähnen.
Nur Hedwig Bronski saß mit im Kerzenlicht frommen Kuhaugen, die Hände im Schoß haltend, nahe aber nicht zu nahe dem Gemüsehändler Greff, der nichts getrunken hatte und dennoch sang, süß sang, melancholisch, Wehmut mitschleppend sang, Hedwig Bronski zum Mitsingen auffordernd sang. Ein zweistimmig Pfadfinderlied sangen sie, nach dessen Text ein gewisser Rübezahl durchs Riesengebirge zu geistern hatte.
Mich hatte man vergessen. Unter dem Tisch saß Oskar mit dem Fragment seiner Trommel, holte noch etwas Rhythmus aus dem Blech heraus, und es mochte sich ergeben haben, daß die sparsamen, aber gleichmäßigen Trommelgeräusche jenen, die da vertauscht und verzückt im Zimmer lagen oder saßen, nur angenehm sein konnten. Denn wie Firnis verdeckte die Trommelei Schmatz-und Saugtöne, die jenen bei all den fieberhaften und angestrengten Beweisen ihres Fleißes unterliefen.
Ich blieb auch unter dem Tisch, als meine Großmutter kam, mit den Kerzen einem zornigen Erzengel glich, im Kerzenschein Sodom besichtigte, Gomorrha erkannte, mit zitternden Kerzen Krach schlug, das alles eine Sauerei nannte und die Idylle wie Rübezahls Spaziergänge durch das Riesengebirge beendete, indem sie die Kerzen auf Untertassen stellte, Skatkarten vom Büfett langte, auf den Tisch warf und, den immer noch greinenden Stephan tröstend, den zweiten Teil der Geburtstagsfeier ankündigte. Bald darauf schraubte Matzerath neue Glühbirnen in die alten Fassungen unserer Hängelampe, Stühle wurden gerückt, Bierflaschen schnalzten aufspringend; man begann über mir einen Zehntelpfennigskat zu kloppen. Mama schlug gleich zu Anfang einen Viertelpfennigskat vor, aber das war dem Onkel Jan zu riskant, und wenn nicht Bockrunden und ein gelegentlicher Grand mit Viern den Einsatz dann und wann beträchtlich erhöht hätten, wäre es bei der Zehntelpfennigfuchserei geblieben.
Ich fühlte mich wohl unter der Tischplatte, im Windschatten des herabhängenden Tischtuches.
Leichthin trommelnd begegnete ich den über mir Karten dreschenden Fäusten, ordnete mich dem Verlauf der Spiele unter und meldete mir nach einer knappen Stunde Skat: Jan Bronski verlor. Er hatte gute Karten, verlor aber trotzdem. Kein Wunder, da er nicht aufpaßte. Hatte ganz andere Dinge im Kopf als seinen Karo ohne Zweien. Hatte sich gleich zu Anfang des Spiels, noch mit seiner Tante redend, die kleine Orgie von vorher banalisierend, den schwarzen Halbschuh vom linken Fuß gestreift und mit graubesocktem linken Fuß am meinem Kopf vorbei das Knie meiner Mama, die ihm gegenüber saß, gesucht und auch gefunden. Kaum berührt, rückte Mama näher an den Tisch heran, so daß Jan, der gerade von Matzerath gereizt wurde und bei dreiunddreißig paßte, den Saum ihres Kleides
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