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Die Blechtrommel

Die Blechtrommel

Titel: Die Blechtrommel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Günter Grass
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getan war, daß mir das simpelste Schulwissen fehlte. Es konnte dem Oskar leider nicht die Methode gefallen, mit der ihn ein Fräulein Spollenhauer zum Wissenden machen wollte.
    Demnach beschloß ich keinesfalls beim Verlassen der Pestalozzischule: Mein erster Schultag soll auch mein letzter sein. Die Schule ist aus, jetzt gehn wir nach Haus. Nichts dergleichen! Schon während der Fotograf mich für immer ins Bild bannte, dachte ich: Du stehst hier vor einer Schultafel, stehst unter einer wahrscheinlich bedeutenden, womöglich verhängnisvollen Inschrift. Du kannst zwar dem Schriftbild nach die Inschrift beurteilen und dir Assoziationen wie Einzelhaft, Schutzhaft, Oberaufsicht und Alle-an-einem-Strick aufzählen, aber entziffern kannst du die Inschrift nicht. Dabei hast du bei all deiner zum halbbewölkten Himmel schreienden Unwissenheit vor, diese Stundenplanschule nie wieder zu betreten. Wo, Oskar, wo willst du das große und das kleine ABC lernen?
    Daß es ein großes und ein kleines ABC gab, hatte ich, dem eigentlich ein kleines ABC genügt hätte, unter anderem der unübersehbaren, nicht aus der Welt zu denkenden Existenz großer Leute entnommen, die sich selbst Erwachsene nannten. Man wird schließlich nicht müde, die Existenzberechtigung eines großen und kleinen ABC durch einen großen und kleinen Katechismus, durch ein großes und kleines Einmaleins zu belegen, und bei Staatsbesuchen spricht man, je nachdem wie groß der Aufmarsch dekorierter Diplomaten und Würdenträger ist, von einem großen oder kleinen Bahnhof.
    Weder Matzerath noch Mama kümmerten sich während der nächsten Monate um meine Ausbildung.
    Das Elternpaar ließ es mit dem einen, für Mama so anstrengenden und beschämenden Einschulungsversuch genug sein. Sie taten es dem Onkel Jan Bronski gleich, seufzten, wenn sie mich von oben her betrachteten, kramten alte Geschichten, wie meinen dritten Geburtstag aus: »Die offene Falltür! Du hast sie offen gelassen, stimmt's! Du warst in der Küche und vorherim Keller, stimmts! Du hast eine Konservendose mit gemischtem Obst für den Nachtisch hochgeholt, stimmts! Du hast die Falltür zum Keller offen gelassen, stimmts!«
    Es stimmte alles, was Mama dem Matzerath vorwarf, und stimmte dennoch nicht, wie wir wissen.
    Aber er trug die Schuld und weinte sogar manchmal, weil sein Gemüt weich sein konnte. Dann mußte er von Mama und Jan Bronski getröstet werden, und sie nannten mich, Oskar, ein Kreuz, das man tragen müsse, ein Schicksal, das wohl unabänderlich sei, eine Prüfung, von der man nicht wisse, womit man sie verdiene.
    Von diesen schwergeprüften, vom Schicksal geschlagenen Kreuzträgern war also keine Hilfe zu erwarten. Auch Tante Hedwig Bronski, die mich oft holen kam, damit ich mit ihrer zweijährigen Marga im Sandkasten des Steffensparkes spielte, schied als Lehrerin für mich aus: sie war zwar gutmütig, aber himmelblau dumm. Gleichfalls mußte ich mir die Schwester Inge des Dr. Hollatz, die weder himmelblau noch gutmütig war, aus dem Sinn schlagen: denn die war klug, keine gewöhnliche Sprechstundenhilfe, sondern eine unersetzliche Assistentin und hatte deshalb auch keine Zeit für mich.
    Ich bewältigte mehrmals am Tage die über hundert Treppenstufen des vierstöckigen Mietshauses, trommelte Rat suchend auf jeder Etage, roch, was es bei neunzehn Mietparteien zu Mittag gab, und klopfte dennoch an keine Tür, weil ich weder im alten Heilandt, noch im Uhrmacher Laubschad, schon gar nicht in der dicken Frau Kater oder, bei aller Zuneigung, in Mutter Truczinski meinen künftigen Magister erkennen wollte.
    Da gab es unter dem Dach den Musiker und Trompeter Meyn. Herr Meyn hielt sich vier Katzen und war immer betrunken. Tanzmusik spielte er auf »Zinglers Höhe«, und am Heiligen Abend stampfte er mit fünf ähnlich Betrunkenen durch Schnee und Straßen und kämpfte mit Chorälen gegen gestrengen Frost an. Ihm begegnete ich einmal auf dem Dachboden: in schwarzer Hose, weißem Extrahemd lag er auf dem Rücken, rollte mit unbeschuhten Füßen eine leere Machandelflasche und blies ganz wunderschön Trompete. Ohne sein Blech abzusetzen, nur leicht die Augen verdrehend, nach mir, der ich hinter ihm stand, schielend, respektierte er mich als ihn begleitenden Trommler. Es war ihm sein Blech nicht mehr wert als mein Blech. Unser Duo trieb seine vier Katzen aufs Dach und ließ die Dachpfannen leicht vibrieren.
    Als wir die Musik beendeten, das Blech sinken ließen, holte ich unter meinem Pullover

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