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Die Blechtrommel

Die Blechtrommel

Titel: Die Blechtrommel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Günter Grass
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siebenten bis zum zehnten Lebensjahr schaffte ich eine Trommel in glatt vierzehn Tagen. Vom zehnten bis vierzehnten Jahr bedurfte es keiner Woche, um ein Blech durchzuschlagen. Später sollte es mir gelingen, einerseits eine neue Trommel an einem einzigen Trommlertag zu Schrott zu machen, andererseits, bei ausgeglichenem Gemüt, drei oder vier Monate lang achtsam und dennoch kräftig zu schlagen, ohne daß meinem Blech, bis auf einige Sprünge im Lack, ein Schaden anzusehen gewesen wäre.
    Doch hier soll die Rede von jener Zeit sein, da ich unseren Hof mit der Teppichklopfstange, mit dem Nägel klopfenden alten Heilandt, den Suppen erfindenden Gören verließ und mit meiner Mama alle vierzehn Tage beim Sigismund Markus eintreten, im Sortiment seiner Kinderblechtrommeln ein neues Blech aussuchen durfte. Manchmal nahm mich Mama auch mit, .wenn die Trommel noch halbwegs heil war, und ich genoß diese Nachmittage in der farbigen, immer etwas musealen, ständig mit diesen oder jenen Kirchenglocken lärmenden Altstadt.
    Zumeist verliefen die Besuche in angenehmer Gleichmäßigkeit. Einige Einkäufe bei Leiser, Sternfeld oder Machwitz, dann wurde der Markus aufgesucht, der es sich zur Gewohnheit gemacht hatte, meiner Mama aussortierte und schmeichelhafteste Artigkeiten zu sagen. Ohne Zweifel machte er ihr den Hof, ließ sich aber, soviel ich weiß, zu größeren Ovationen, als die heiß ergriffene, goldeswert genannte Hand meiner Mama lautlos zu küssen, nie hinreißen — den Kniefall jenes Besuches ausgenommen, von dem hier die Rede sein soll.
    Mama, die von der Großmutter Koljaiczek die stattliche, füllig stramme Figur, auch liebenswerte Eitelkeit, gepaart mit Gutmütigkeit, mitbekommen hatte, ließ sich den Dienst des Sigismund Markus um so eher gefallen, als er sie hier und da mit spottbilligen Nähseidesortimenten, im Ramschhandel erworbenen, doch tadellosen Damenstrümpfen eher beschenkte als belieferte. Ganz zu schweigen von meinen, für einen lächerlichen Preis in vierzehntägigen Abständen über den Ladentisch gereichten Blechtrommeln.
    Während jedes Besuches bat Mama den Sigismund pünktlich um halb fünf am Nachmittag, mich, den Oskar, bei ihm im Geschäft seiner Obhut überlassen zu dürfen, da sie noch wichtige eilige Besorgungen zu machen habe. Merkwürdig lächelnd verbeugte sich dann der Markus und versprach Mama mit floskelreicher Rede, mich, den Oskar, wie seinen Augapfel zu hüten, während sie ihren so wichtigen Besorgungen nachgehe. Ein ganz leichter, doch nicht verletzender Spott, der seinen Sätzen eine auffallende Betonung gab, ließ Mama gelegentlich erröten und ahnen, daß der Markus Bescheid wußte.
    Aber auch ich wußte um die Art der Besorgungen, die Mama wichtig nannte, denen sie allzu eifrig nachkam. Hatte ich sie doch eine Zeitlang in eine billige Pension der Tischlergasse begleiten dürfen, wo sie im Treppenhaus verschwand, um eine knappe Dreiviertelstunde wegzubleiben, während ich bei der meist Mampe schlürfenden Wirtin hinter einer mir wortlos servierten, immer gleich scheußlichen Limonade ausharren mußte, bis Mama, kaum verändert, wiederkam, der Wirtin, die von ihrem Halb und Halb nicht aufblickte, einen Gruß sagte, mich bei der Hand nahm und vergaß, daß die Temperatur ihrer Hand sie verriet. Heiß Hand in Hand suchten wir dann das Cafe Weitzke in der Wollwebergasse auf. Mama bestellte sich einen Mokka, Oskar ein Zitroneneis und wartete, bis prompt und wie zufällig Jan Bronski vorbeikam, der sich zu uns an den Tisch setzte, sich gleichfalls einen Mokka auf die beruhigend kühle Marmorplatte stellen ließ.
    Sie sprachen vor mir ganz ungeniert und ihre Reden bestätigten, was ich schon lange wußte: Mama und Onkel Jan trafen sich fast jeden Donnerstag in einem auf Jans Kosten gemieteten Zimmer der Pension in der Tischlergasse, um es eine Dreiviertelstunde lang miteinander zu treiben.
    Wahrscheinlich war es Jan, der den Wunsch äußerte, mich nicht mehr in die Tischlergasse und anschließend ins Cafe Weitzke mitzunehmen. Er war mitunter sehr schamhaft und schamhafter als Mama, die nichts dabei fand, wenn ich Zeuge einer ausklingenden Liebesstunde war, von deren Rechtmäßigkeit sie immer, auch hinterher, überzeugt zu sein schien.
    So blieb ich, auf Jans Wunsch, fast jeden Donnerstag nachmittag von halb fünf bis kurz vor sechs beim Sigismund Markus, durfte das Sortiment seiner Blechtrommeln betrachten, benutzen, durfte — wo wäre das Oskar sonst möglich gewesen — auf

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