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Die Blechtrommel

Die Blechtrommel

Titel: Die Blechtrommel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Günter Grass
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mit Freude und verräterischem Stolz durfte Oskar sich melden: zwei mittlere Scheiben im linken Foyerfenster hatten den Abendsonnenschein aufgeben müssen, lasen sich als zwei schwarze, schleunigst neu zu verglasende Vierecke ab.
    Es galt, den Erfolg zu bestätigen. Gleich einem modernen Kunstmaler produzierte ich mich, der seinen einmal gefundenen, seit Jahren gesuchten Stil zeitigt, indem er eine ganze Serie gleichgroßartiger, gleichkühner, gleichwertiger, oftmals gleichformatiger Fingerübungen seiner Manier der verblüfften Welt schenkt.
    Es gelang mir, innerhalb einer knappen Viertelstunde alle Fenster des Foyers und einen Teil der Türen zu entglasen. Vor dem Theater sammelte sich eine, wie es von oben aussah, aufgeregte Menschenmenge. Es gibt immer Schaulustige. Mich beeindruckten die Bewunderer meiner Kunst nicht besonders. Allenfalls veranlaßten sie Oskar, noch strenger, noch formaler zu arbeiten. Gerade wollte ich mich anschicken, mit einem noch kühneren Experiment das Innere aller Dinge freizulegen, nämlich durchs offene Foyer hindurch, durchs Schlüsselloch einer Logentür in den noch dunklen Theaterraum hinein einen speziellen Schrei schicken, der den Stolz aller Abonnenten, den Kronleuchter des Theaters mit all seinem geschliffenen, spiegelnden, lichtbrechend facettierten Klimborium treffen sollte, da erblickte ich einen rostbraunen Stoff in der Menge vor dem Theater: Mama hatte vom Cafe Weitzke zurückgefunden, hatte den Mokka genossen, Jan Bronski verlassen.
    Es sei aber zugegeben, daß Oskar dennoch einen Schrei auf den Protzlüster losschickte. Er schien jedoch keinen Erfolg gehabt zu haben, denn die Zeitungen berichteten am nächsten Tage nur von den aus rätselhaften Gründen zersprungenen Foyer-und Türscheiben. Halbwissenschaftliche und auch wissenschaftliche Untersuchungen im feuilletonistischen Teil der Tagespresse breiteten noch wochenlang spaltenreichen phantastischen Unsinn aus. Die »Neuesten Nachrichten« wußten von kosmischen Strahlen zu erzählen. Leute von der Sternwarte, also hochqualifizierte Geistesarbeiter, sprachen von Sonnenflecken.
    Ich fand damals, so schnell es meine kurzen Beine erlaubten, die Wendeltreppe des Stockturmes hinunter und erreichte einigermaßen atemlos die Menge vor dem Theaterportal. Mamas rostbraunes Herbstkomplet leuchtete nicht mehr, sie mußte im Laden des Markus sein, berichtete vielleicht über Schäden, die meine Stimme verursacht haben mußte. Und der Markus, der meinen sogenannten zurückgebliebenen Zustand, auch meine diamantene Stimme wie das natürlichste Geschehen hinnahm, würde mit der Zungenspitze wedeln, so dachte Oskar, und die weißgelblichen Hände reiben.
    Im Ladeneingang bot sich mir ein Bild, das sofort alle Erfolge des scheibenvernichtenden Ferngesanges vergessen ließ. Sigismund Markus kniete vor meiner Mama, und all die Stofftiere, Bären, Affen, Hunde, sogar Puppen mit Klappaugen, desgleichen Feuerwehrautos, Schaukelpferde, auch alle seinen Laden hütenden Hampelmänner schienen mit ihm aufs Knie fallen zu wollen. Er aber hielt mit zwei Händen Mamas beide Hände verdeckt, zeigte hellbeflaumte, bräunliche Flecken auf den Handrücken und weinte.
    Auch Mama blickte ernst und der Situation entsprechend beteiligt. »Nicht Markus«, sagte sie, »bitte nicht hier im Laden.«
    Doch Markus fand kein Ende, und seine Rede hatte einen mir unvergeßlichen, beschwörenden und zugleich übertriebenen Tonfall: »Machen Se das nich mä middem Bronski, wo er doch bei de Post is, die polnisch is und das nich gut geht, sag ich, weil er is midde Polen. Setzen Se nicht auf de Polen, setzen Se, wenn Se setzen wollen, auf de Deutschen, weil se hochkommen, wenn nich heil dann morgen; und sind se nich schon wieder bißchen hoch und machen sich, und de Frau Agnes setzt immer noch auffen Bronski. Wenn Se doch würd setzen auffen Matzerath, den Se hat, wenn schon. Oder wenn Se mechten setzen gefälligst auffen Markus und kommen Se middem Markus, wo er getauft is seit neilich. Gehn wä nach London, Frau Agnes, wo ich Lait hab drieben und Papiere genug, wenn Se nur wollten kommen oder wolln Se nich middem Markus, weil Se ihn verachten, nu denn verachten Se ihn. Aber er bittet Ihnen von Herzen, wenn Se doch nur nicht mehr setzen wollen auffen meschuggenen Bronski, da bei de polnische Post bleibt, wo doch bald färtich is midde Polen, wenn se kommen de Deitschen ! «
    Gerade als auch Mama, von soviel Möglichkeiten und Unmöglichkeiten verwirrt, zu Tränen

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