Die Blechtrommel
sich auch den Zylinder auf und blickte sich nicht mehr um, obgleich Meyn und der Bäckermeister ihm nachblickten.
Weder Matzerath noch Mutter Truczinski bemerkten, daß ich mich ihnen und dem Beileid entzog. So tuend, als müsse er mal, verdrückte Oskar sich rückwärts am Totengräber und seinem Gehilfen vorbei, lief dann, nahm keine Rücksicht aufs Efeu und erreichte die Ulmen wie auch den Sigismund Markus noch vor dem Ausgang.
»Das Oskarchen!« wunderte sich der Markus, »nu sag, was machen se middem Markus? Was hadder getan, dasse so tun?«
Ich wußte nicht, was Markus getan hatte, nahm ihn bei seiner schweißnassen Hand, führte ihn durchs schmiedeeisern offenstehende Friedhofstor und wir beide, der Hüter meiner Trommeln und ich, der Trommler, womöglich sein Trommler, wir trafen auf Schugger Leo, der gleich uns ans Paradies glaubte.
Markus kannte den Leo, denn Leo war eine stadtbekannte Person. Ich hatte von Schugger Leo gehört, wußte, daß sich dem Leo", da er noch auf dem Priesterseminar war, eines sonnigen Tages die Welt, die Sakramente, die Konfessionen, Himmel und Hölle, Leben und Tod so vollkommen verrückt hatten, daß Leos Weltbild fortan zwar verrückt, aber dennoch vollendet glänzte.
Schugger Leos Beruf war, nach allen Begräbnissen — und er wußte um jede Abdankung — in schwarzblankem, schlotterndem Zeug, mit weißen Handschuhen die Trauergemeinde zu erwarten.
Markus und auch ich begriffen, daß er nun hier, vorm Schmiedeeisen des Brenntauer Friedhofes von Berufs wegen stand und mit beileidbeflissenem Handschuh, verdrehten wasserhellen Augen und immer sabberndem Mund dem Trauergefolge entgegensabberte.
Mitte Mai: ein heiterer, sonniger Tag. Hecken und Bäume mit Vögeln besetzt. Gackernde Hühner, die durch ihre und mit ihren Eiern Unsterblichkeit versinnbildlichten. Gesumm in der Luft.
Frischaufgetragenes Grün ohne Staub. Schugger Leo trug seinen welken Zylinder in der linken behandschuhten Hand, kam leicht, tänzerisch, weil wirklich begnadet, mit fünf vorgestreckten, schimmelnden Handschuhfingern Markus und mir entgegen, stand dann schief und wie im Wind, obgleich kein Lüftchen ging, uns gegenüber, legte den Kopf schräg und lallte, Fäden ziehend, als Markus ihm zuerst zögernd, dann fest seine nackte Hand in den zugreifenden Stoff legte: »Welch ein schöner Tag. Nun ist sie schon dort, wo alles so billig ist. Habt ihr den Herrn gesehen? Habemus ad Dominum. Er ging vorbei und hatte es eilig. Amen.«
Wir sagten Amen und Markus bestätigte Leo den schönen Tag, gab auch vor, den Herrn gesehen zu haben.Hinter uns hörten wir vom Friedhof die näher heransummende Trauergesellschaft. Markus ließ seine Hand aus Leos Handschuh fallen, fand noch Zeit für ein Trinkgeld, gab mir einen Markusblick und ging eilig, schon gehetzt auf das Taxi zu, das vor der Brenntauer Post auf ihn wartete.
Noch sah ich der Staubwolke nach, die den schwindenden Markus verhüllte, da hatte mich Mutter Truczinski schon wieder bei der Hand. Sie kamen in Gruppen und Grüppchen. Schugger Leo sagte allen sein Beileid, machte die Trauergemeinde auf den schönen Tag aufmerksam, fragte jeden, ob er den Herrn gesehen, und erhielt, wie üblich, kleinere, größere oder keine Trinkgelder. Matzerath und Jan Bronski bezahlten die Träger, den Totengräber, den Küster und Hochwürden Wiehnke, der sich von Schugger Leo verlegen seufzend die Hand küssen ließ und mit geküßter Hand der sich langsam zerstreuenden Trauergemeinde segnende Gesten nachschickte.
Wir aber, meine Großmutter, ihr Bruder Vinzent, die Bronskis mit Kindern, Greff ohne Frau und Gretchen Scheffler nahmen Platz in zwei einfach bespannten Kastenwagen. Man fuhr uns an Goldkrug vorbei durch den Wald, über die nahe polnische Grenze nach Bissau-Abbau zum Leichenschmaus.
In einer Kuhle lag Vinzent Bronskis Hof. Pappeln standen davor und sollten die Blitze ablenken. Sie hoben das Scheunentor aus den Angeln, legten es auf Holzböcke, breiteten Tischtücher drüber. Es kamen noch Leute aus der Nachbarschaft. Das Essen brauchte seine Zeit. Wir tafelten in der Scheuneneinfahrt. Gretchen Scheffler hielt mich auf dem Schoß. Fett war das Essen, dann süß, wieder fett, Kartoffelschnaps, Bier, eine Gans und ein Ferkel, Kuchen mit Wurst, Kürbis in Essig und Zucker, Rote Grütze mit saurer Sahne, gegen Abend etwas Wind durch die offene Scheune, Mäuse raschelten, auch die Bronskikinder, die mit den Gören der Nachbarschaft den Hof eroberten.
Mit den
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