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Die Bleiche Hand Des Schicksals

Die Bleiche Hand Des Schicksals

Titel: Die Bleiche Hand Des Schicksals Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Spencer-Fleming
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sein?«
    »Erinnerst du dich noch an die Geschichten, die du dir als Kind ausgedacht hast?« Norm war ein vorsichtiger Fahrer, die Hände auf zehn und zwei Uhr, die Augen auf die Straße gerichtet, selbst wenn er sich unterhielt. »Wie dein Vater von Schnapsschmugglern überfallen wurde?« Er ließ die Implikation im Raum stehen.
    Auf dem Rücksitz versuchte Clare sich eine neue Antwort auf die immer gleiche Frage einfallen zu lassen, die sie schon mindestens ein Dutzend Mal gehört hatte, seit Russ Mrs. Marshall die Nachricht überbracht hatte, dass es sich bei den nicht identifizierten Überresten aus dem Stausee um Jonathon Ketchem handeln mochte. Die Anzahl der Möglichkeiten, die Antwort zu umgehen, war begrenzt. Jemand hatte ihn umgebracht und seine Leiche dort abgeladen.
    Das Wochenende war insgesamt miserabel gewesen. Die Freitagswolken hatten ihnen einen steten Frühlingsregen beschert, der mit Unterbrechungen bis Sonntagabend anhielt. Clare hatte einen grauen einsamen Samstagnachmittag im alten Kinderzimmer der Historischen Gesellschaft verbracht, dort erfolglos nach weiteren Berichten über die Landverkäufe am Sacandaga geforscht und durch den Regenvorhang hinüber zur düsteren, geschlossenen Klinik gespäht. In St. Alban’s hatte die Dachplane ein Leck bekommen, und mehrere Kirchenbänke für die Sonntagsmesse waren unbenutzbar. Und sehr zum Missfallen der Kirchenältesten stand sie in der Zeitung. Schon wieder.
    »Clare«, sagte Robert Corlew, als er sie im Gemeindesaal stellte. »Haben Sie die Samstagsausgabe des Post Star gesehen?«
    Sie sah vom Tisch auf, wo sie sich zwischen glasierten Brownies und Möhrenkuchen zu entscheiden versuchte. Die Kaffeestunde war in St. Alban’s immer eine Butter-und Zuckerorgie. Gelegentlich brachte jemand mit höheren Idealen Trauben oder Ananasstücke auf Zahnstochern oder Apfelschnitze mit. Im Allgemeinen wurden sie nicht angerührt.
    »Selbstverständlich«, sagte sie und nahm sich ein Brownie.
    »Sie stehen drin. In einem der Berichte. Über eine Verrückte, die Leute mit der Waffe bedroht hat.« Er beugte sich dichter zu ihr … »Ich dachte, wir hätten uns letztes Jahr geeinigt, dass Sie nicht mehr in den Zeitungen auftauchen, es sei denn, es wäre etwas Nettes, Erhebendes.«
    »Eine Osterbotschaft der Hoffnung, haben Sie gesagt, glaube ich.«
    Sterling Sumner war zu ihnen getreten. »Wissen Sie, dass die Story im Fernsehen war? Ein Freund aus Albany rief mich an, um zu fragen, ob es meine Priesterin sei, die in den Nachrichten erwähnt wurde.«
    Sie wusste es. Das Büro der Diözese hatte eine Nachricht auf ihrem Anrufbeantworter hinterlassen. Jemand aus dem Stab des Bischofs wollte mit ihr reden.
    »An dem Tag war wohl nicht besonders viel los«, erwiderte sie.
    »Clare! Solche Dinge sind nicht dazu angetan, neue Mitglieder anzuziehen …«
    »Neue zahlende Mitglieder«, fügte Sterling hinzu.
    »›Jetzt zu St. Alban’s! Örtliche Priesterin und Künstlerin mit Waffengewalt festgehalten‹.« Corlew sah Sterling, um Unterstützung heischend, an. »Habe ich nicht recht? Würdest du dabei auf die Idee kommen, es mal mit St. Alban’s zu versuchen?«
    »Tut mir leid!« Mehrere Köpfe drehten sich in ihre Richtung, und sie senkte die Stimme. »Es ist ja nicht so, als wäre ich an diesem Morgen mit der Absicht aufgestanden, mir eine Waffe vors Gesicht halten zu lassen.«
    »Wir haben Ihnen bereits früher empfohlen, sich die Leute genauer anzusehen, mit denen Sie sich einlassen«, sagte Sterling. »Sie kennen doch das Sprichwort: Wie man sich bettet, so liegt man.«
    »Ich lasse mich mit den Menschen ein, die mich brauchen.« Sie hätte beinah die Hände hochgeworfen, erinnerte sich aber rechtzeitig an den Brownie.
    »Berüchtigt zu sein ist für einen Priester nicht erstrebenswert«, sagte Corlew. »Wenn wir einen Revoluzzer wie Daniel Berrigan gewollt hätten, hätten wir ihn eingestellt.«
    »Ich bin nicht berüchtigt«, sagte sie. Corlew zog die Augenbraue so hoch, dass sie beinah in seinem dicken Haar verschwand. Oder seinem Toupet.
    »Sie müssen zugeben, dass Sie in einige ziemlich extravagante Vorfälle verwickelt waren.« Nachdrücklich rückte Sterling sein Halstuch zurecht.
    Sie biss sich auf die Wange. Zählte bis zehn. Schnell, aber sie schaffte es. Sie konnte mit den beiden bis Karfreitag diskutieren und würde sie trotzdem nicht von ihrer Sicht der Dinge überzeugen. Zeit für eine kleine Dosis Südstaatengelassenheit. Sie legte Sterling eine

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