Die Bleiche Hand Des Schicksals
Hand auf den Arm und die andere auf Corlews Schulter. »Meine Herren, Sie haben vollkommen recht.« Die beiden sahen sie misstrauisch an. »Meine Großmutter pflegte immer zu sagen, der Name einer Dame dürfe nur dreimal in der Zeitung erscheinen, und ich kann ihr nicht widersprechen. Ich habe mit keinem Reporter über den unglücklichen Vorfall mit Mrs. Rouse geredet, und ich verspreche Ihnen hier und jetzt, dass ich das auch nie tun werde. Tatsächlich könnte ich für den Rest meines Lebens gut darauf verzichten, mit Reportern zu reden, es sei denn über kirchliche Angelegenheiten.«
»Wie zum Beispiel den Verkauf ruinösen Besitzes«, sagte Corlew.
»Oder Osterbotschaften der Hoffnung«, erwiderte sie.
Beim Anblick der Backsteinfassade des Leichenschauhauses kehrte sie mit einem Ruck in die Gegenwart zurück. Mr. Madsen parkte, und sie stiegen aus. Mrs. Marshall blickte die Granittreppe hinauf. »Ich muss mir doch nicht … nicht die Leiche anschauen, oder?«
»Wohl kaum«, sagte Clare, und fügte im Stillen hinzu: Es gibt nicht viel daran zu erkennen.
Innen nannte Mr. Madsen dem Pförtner Mrs. Marshalls Namen, der sie dem Gerichtsmediziner meldete und dann den Summer für die Tür betätigte, die zum Büro des Leichenbeschauers und zur Leichenhalle führte. Dr. Dvorak kam ihnen im Flur entgegen, Clare stellte Mr. Madsen vor, der sich selbst »als Freund der Familie« bezeichnete, und dann Mrs. Marshall, die die Hand des Pathologen eine Sekunde zu lange musterte, ehe sie sie schüttelte, vielleicht, weil sie sich vorstellte, wo diese gewesen war.
»Chief Van Alstyne wartet bereits«, sagte Dr. Dvorak und hinkte den kurzen Gang zu seinem Büro hinunter.
»Warum?«, fragte Mrs. Marshall, als der Pathologe die Tür öffnete und sie durchwinkte. Russ, der auf der anderen Seite von Dvoraks Schreibtisch saß, erhob sich bei ihrem Eintreten. Clare fiel auf, dass Mrs. Marshall stets diese Wirkung auf Männer ausübte.
»Der Chief ist immer dabei, wenn es sich um Mord handelt«, erklärte Dr. Dvorak.
Mrs. Marshall drehte sich zu ihm um. »Mord?«
»Setz dich erst mal hin, Lacey, und dann können wir uns anhören, was der Doktor zu sagen hat.« Norm Madsen klopfte auf einen der Holzstühle mit senkrechter Lehne, Regierungsausstattung von 1957 und seit damals nicht mehr ausgetauscht.
»Es tut mir leid«, sagte Dr. Dvorak. »Ich habe nicht damit gerechnet, dass wir so viele sein würden.« Zwischen den Bücherregalen und Pflanzen in dem kleinen Büro standen drei Stühle. »Vielleicht könnten wir rasch aus dem Wartezimmer noch einen Stuhl besorgen.«
»Ich kann stehen«, bot Clare an.
Russ, der noch immer stand, wies auf seinen Stuhl. »Nehmen Sie diesen.«
Clare sah bedeutungsvoll auf seinen Gips. »Es geht schon, danke.«
»Ich bestehe darauf.« Sein Rücken war sehr gerade. Sie fragte sich, ob Margy Van Alstyne oder die Armee für seine aufrechte Haltung verantwortlich war.
»Setzen Sie sich, Russ. Ärztliche Anordnung.«
Emil Dvorak wartete, bis Russ Platz genommen hatte, dann wandte er seine Aufmerksamkeit den ordentlich auf seiner Schreibtischunterlage ausgerichteten Akten zu. Eine von ihnen war offensichtlich neu, einer dieser Plastikhefter, die man kartonweise bei Staples kaufen konnte. Die zweite sah anders aus. Älter. Sie war von einem verwaschenen Grün und schien auseinanderzufallen, als hätte sie zu lange im Freien gelegen. Der älteste ungelöste Fall der Polizei von Millers Kill war wieder zum Leben erwacht.
»Nun, schauen wir mal, ob ich das Verwandtschaftsverhältnis richtig verstanden habe.« Dr. Dvorak zog die Kappe von einem Füller und schlug die neue Akte auf. »Sie sind Solace Ketchem Marshall, Tochter von Jonathon und Jane Ketchem.«
»Ja.«
»Wie alt waren Sie, als Ihr Vater verschwand?«
»Sechs.«
»Mrs. Marshall, können Sie sich daran erinnern, ob sich Ihr Vater jemals zwei Finger gebrochen hat? An der rechten Hand? Das muss mehrere Jahre vor seinem Verschwinden passiert sein.«
»Ich weiß es nicht«, antwortete Mrs. Marshall.
»Ja«, sagte Clare.
Alle starrten sie an. »Dr. Stillman hat mir die Tagebücher seines Großvaters geliehen.« Sie wandte sich an Mrs. Marshall und Mr. Madsen. »Der alte Dr. Stillman, an den Sie sich erinnern. Er hat Ihre Geschwister während der Diphtherieepidemie behandelt. Diejenigen, die noch am Leben waren, als man ihn holte.« Sie kam vom Thema ab. »Egal, in seinem Tagebuch schrieb Dr. Stillman, dass Ihr Vater in der Nacht, in der er
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