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Die Blendende Klinge

Die Blendende Klinge

Titel: Die Blendende Klinge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brent Weeks
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hatte, war das Sicherste, was sie sagen konnte: Es konnte alles oder nichts bedeuten.
    »Ja, es gibt sie wirklich. Obwohl ich nicht glaube, dass ihr Wesen genau so beschaffen ist, wie es sich die Chromeria oder die neuen Priester denken. Ich mag Euch, Aliviana. Ihr stellt die richtigen Fragen. Ihr denkt in großen Maßstäben. Doch für Euch selbst denkt Ihr nicht in großen Maßstäben. Ihr seid zu bescheiden. Ich muss meine Wandler natürlich trainieren lassen. Das ist eine wichtige und würdige Aufgabe – aber es ist keine große Aufgabe.«
    »Hat es etwas mit Zymun zu tun?«, fragte sie.
    »Zymun? Oh, Ihr befürchtet, dass ich Euch mit ihm verkuppeln will?«
    »Er gibt sich jedenfalls alle Mühe, hoher Herr.«
    »Ja, das überrascht mich nicht. Zymun hat sich selbst noch nie unterschätzt. Nein, ich habe Euch mit Zymun zusammengetan, weil ihr gleichaltrig seid, und ich dachte, Ihr würdet das zu schätzen wissen. Und es gibt euch beiden eine Beschäftigung. Wenn Ihr aber einen anderen Tutor vorzieht …?«
    »Nein, hoher Herr. Ich habe mich ziemlich … an ihn gewöhnt, muss ich sagen.« Solange sie nicht Zymuns Intelligenz beleidigte, was er nicht ertragen konnte, war er ein unerschöpflicher Quell des Lobes für ihre Fähigkeiten – lobte sie dafür, wie schnell sie schwerverständliche Gedankenzusammenhänge meisterte oder wie gut sie sich an dunkle und entlegene Einzelheiten aus der Geschichte erinnerte. Es stärkte ihr Selbstgefühl. Verlieh ihr den Eindruck, etwas Besonderes zu sein. Und seine unermüdlichen Verführungsversuche gaben ihr das Gefühl, erwachsen zu sein, weiblich, begehrenswert. »Nur … Er spricht nicht viel über seine Vergangenheit.«
    »Das einzig Wichtige, was Ihr über Zymuns Vergangenheit wissen müsst, ist, dass er versucht hat, das Prisma zu ermorden«, erwiderte der Farbprinz.
    »Das hat er wirklich getan? Er hat so etwas gesagt, aber ich dachte, er …«
    »Ich habe ein wenig gepokert. Zymun auf eine Mission geschickt, die geringe Erfolgschancen hatte. Er glaubt, versagt zu haben, was auch gut ist. Es hilft mir, ihn in Schach zu halten. In Wahrheit hat er nur halb versagt. Die Geschichte mag es ihm einmal als Verdienst anrechnen, dass er zum Geburtshelfer neuer …« Seine Stimme verlor sich, und er blickte zum Himmel empor.
    »Neuer Zeiten?«, schlug Liv vor. »Zymun als der Geburtshelfer einer neuen Ära?« Sie folgte seinem Blick zum gerade hervortretenden Mond, der die nächtlichen Wolken beleuchtete. Sie zogen in schnurgeraden Reihen über den Himmel, von Horizont zu Horizont, perfekt gleichmäßig verteilt und genau parallel. Die Vision – etwas Derartiges konnte ja wohl nicht real sein, oder? – hatte für vielleicht zwanzig Sekunden Bestand, dann rissen die Wolken unter dem Ansturm der Winde auf, verwischten und zerstreuten sich.
    Der Farbprinz brach das Schweigen. »Neuer Götter, Aliviana. Neuer Götter.«

47
    »Geheimnisse?«, fragte Kip. »Was für Geheimnisse?«
    »Ich weiß es nicht. Noch nicht«, antwortete Janus Borig. »Deshalb habe ich dich heute herkommen lassen. Ich wollte wissen, ob du eines dieser Geheimnisse bist.« Sie saugte an ihren Zähnen. »Das bist du nicht.«
    »Ist das eine gute Nachricht oder eine schlechte?«, hakte Kip nach.
    »Es ist eine sehr, sehr schlechte Nachricht.«
    »Ich verstehe immer noch nicht«, sagte Kip.
    »Das ist noch untertrieben.«
    »Hä?«
    »Komm mal her.«
    Kip trat neben sie. Sie zeigte ihm ihre Entwürfe. Der erste stellte eine in einen Kapuzenumhang gehüllte Gestalt dar, die von hinten beleuchtet wurde; langes Haar fiel dem abgebildeten Mann in einem dunklen Vorhang über die Augen, die dahinter nur schwach hervorglänzten; in seinem Bart funkelten eingeflochtene Perlen, und in seiner Hand hielt er einen gezückten Dolch. Ein Meuchelmörder? Auf einem anderen Entwurf war ein kahler Mann mit ebenholzschwarzer Haut zu sehen, der aus einer Schnittwunde unter einem Auge blutete und eine Augenklappe trug, und in beiden Händen wirbelten Kurzschwerter. Ein dritter Entwurf zeigte …
    »Das ist ja Hauptmann Eisenfaust«, bemerkte Kip.
    »Ah ja, so ist es. Vielen Dank«, sagte sie. »Was ist mit seinem Haar passiert?«
    »Er trauert um seine verlorenen Schwarzgardisten.«
    »Ah ja, natürlich.«
    »Warum fragt Ihr mich? Warum hat er nur ein Auge?«
    »Hat er jetzt nicht nur noch ein Auge? Hmm. Es ist nicht immer im wörtlichen Sinn zu verstehen.« Sie neigte den Kopf zur Seite. Dann kritzelte sie ein altes

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