Die Blendende Klinge
bewenden. Er konnte in Bezug auf Kip oder irgendeines der anderen Probleme nichts unternehmen, solange er den Gottesbann nicht ausfindig gemacht hatte.
Also hielt er an, wann immer er Schiffe auf dem offenen Meer sah, verwandelte den Gleiter in ein kleines Boot, ruderte hinüber, stellte der Besatzung seine Fragen, wehrte die ihren ab und suchte weiter. An anderer Stelle mussten die Probleme derweil wachsen. Wenn er noch um einiges länger fortblieb, würde die Chromeria ihn für tot erklären – trotz der Briefe, die er den Schiffskapitänen mitgab, und der Antwortbriefe von der Chromeria, denen er keinerlei Beachtung schenkte. Aber er konnte von seiner Suche nicht ablassen. Er hasste Blaue zu sehr. Auch das war Bestandteil seiner fünf Ziele – alle Wichte zu vernichten. Das schuldete er Sevastian. Nichts würde ihn davon abhalten. Nicht einmal die Chromeria selbst.
Er nahm Karris fast jeden Tag mit, zum Teil weil sie nicht wollte, dass er sie verließ, und zum Teil weil er hoffte, dass sie das Blau würde spüren können. Das Dritte Auge hatte durchblicken lassen, dass alle in der Nähe eines Gottesbanns dessen Wirkung spüren würden, Wandler aber am stärksten. Gavins Plan sah vor, den Gottesbann mit Hilfe von Karris zu finden und dann am nächsten Tag ohne sie zurückzukehren, um ihn zu zerstören. Sie würde natürlich wütend auf ihn sein, aber das war ihm egal.
Und die Tage verstrichen. Und verstrichen. Und verstrichen. Zwei Monate verstrichen. Drei.
52
»Ich kann dir welche geben«, sagte Janus Borig.
Es musste natürlich ein Haken an der Sache sein. Niemand würde Kip etwas schenken, was er so verzweifelt brauchte. Die schwarzen Karten mussten unbezahlbar sein.
»Aber es wird mich etwas kosten«, argwöhnte Kip. Sie schloss hinter ihm die Tür und schob viele Riegel und Bolzen vor.
»Nein«, sagte sie. »Ein Geschenk … ganz umsonst.«
»Aber …«
Sie pikste ihm den Stiel ihrer langen Pfeife in die Brust. »Aber weißt du, wie es ist, einen Gegenstand von ungeheurem Wert in der Tasche zu haben? Eine Hintergasse entlangzugehen und zu wissen, dass man mit dem, was man in der Tasche hat, jedes einzelne Haus und jeden Laden im Umkreis kaufen könnte? Es ist entsetzlich, erschreckend. Schon eine dieser Karten allein ist so viel wert, Kip. Wenn ich dir ein ganzes Deck gebe, trägst du mehr mit dir herum, als du vielleicht in deinem ganzen Leben verdienen wirst. Und es ist nicht nur ein Reichtum an Geld. Du trägst ein Stück Geschichte mit dir herum. Geschichte, die dir in eine Pfütze fallen und dann vollkommen ruiniert sein könnte oder die dir buchstäblich gestohlen werden und dann für immer verloren sein könnte. Hast du eine Ahnung, wie beängstigend das ist?«
Kip dachte an den Dolch, der vielleicht noch immer in der Truhe im Schlafsaal lag, vielleicht aber auch nicht. Er schluckte. »Das ist ein Punkt, der mir ohnehin bereits Kopfzerbrechen bereitet«, sagte Kip. »Ihr habt hier Euer Zuhause. Versteht mich nicht falsch, es ist hübsch und alles, aber … es ist hier. Es ist kein Ort, wo ich erwarten würde, ein Vermögen zu finden.« Was, wie er begriff, vielleicht gerade der springende Punkt war.
»Mein Mann und ich haben uns dieses Haus gebaut. Das ist jetzt annähernd fünfzig Jahre her. Es gefällt mir hier.« Sie zuckte die Achseln. »Ich weiß, es macht nicht gerade den Eindruck eines sicheren Ortes, um all das aufzubewahren, was ich hier habe, aber es ist sicherer, als du glaubst. Ich gebe ein Vermögen dafür aus, um es zu sichern. Selbst das Prisma und das ganze Spektrum könnten nicht anmarschiert kommen und mir etwas wegnehmen, was ich ihnen nicht geben will.« Sie verzog den Mund zu einem Lächeln. »Aber jetzt, jetzt … wo waren wir … ah ja. Die schwarzen Karten. Die Frage ist, willst du die schwarzen Karten, weil sie verboten sind, oder willst du einfach Andross Guile schlagen?«
Kip legte grübelnd die Stirn in Falten. Es schien ihm irgendwie die falsche Antwort zu sein, aber trotzdem sagte er: »Ich will einfach nur Andross Guile schlagen.«
»In diesem Fall brauchst du kein ganzes Deck schwarzer Karten.« Während sie sprach, tastete sie auf dem Tisch nach einem Gefäß mit frischem Tabak.
»Nein?«
»Die Karten wurden nicht verboten, weil sie gute Spielkarten sind, Kip. Sie wurden verboten, weil sie Geschichten erzählten, von denen die Chromeria nicht mehr wollte, dass sie erzählt wurden. Wie auch meine neuen Karten – die ersten neuen Karten seit
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