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Die Blendende Klinge

Die Blendende Klinge

Titel: Die Blendende Klinge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brent Weeks
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einem Tag zu überqueren und dadurch einen Monat Schiffsreise zu sparen, nicht einmal eine oder zwei zusätzliche Stunden zum Packen.
    Warum bloß hatte sie sich noch einmal freiwillig für diese Unternehmung gemeldet?
    Weil du nichts Besseres zu tun hast, als die Welt zu retten und den Krebs freizulegen, der an ihrem Herzen nagt.
    Da war etwas dran.
    Gavin kam an Deck, und Karris fiel einmal mehr auf, wie sich sofort alle Blicke auf ihn richteten. Sie nahm an, dass die meisten Menschen auf diesem Schiff aus dem gemeinen Volk stammten, und sie hätten sich wohl sogar nach dem Gouverneur von Garriston, Crassos, umgedreht, so verhasst er auch gewesen war. Und vielleicht hätten sie auch jedes andere Prisma mit der gleichen anbetenden Ehrfurcht angesehen, aber sie bezweifelte es. Gavins Ehrentitel war etwas ganz Besonderes, doch irgendwo tief in ihrem Innern glaubte sie, dass er selbst dann alle Augen auf Deck auf sich gezogen hätte, wenn er ein einfacher Schiffsjunge gewesen wäre. Jetzt, da er wieder einmal ihrer aller Leben gerettet hatte, überraschte es sie geradezu, dass die Menschen nicht gleich in spontanen Applaus ausbrachen.
    Die Seefahrer brachen in Applaus aus.
    Dieser Hundesohn.
    Zwei Schwarzgardisten traten sofort zu ihm, als er zur Tür herauskam. Irgendjemand musste die Neuigkeit hinausposaunt haben, dass das Prisma gleich erscheinen würde, denn binnen weniger Augenblicke wimmelte es auf dem Deck von Menschen. Der Kapitän, ein robuster rundlicher Ruthgari, unternahm keinen Versuch, sie aufzuhalten oder seine Matrosen an die Arbeit zurückzuschicken. Auf dem Weg aus ihren Kajüten unter Deck trampelten sie sich beinahe gegenseitig tot. Matrosen, Soldaten, Händler, Edelleute und Bauern, die von ihren Höfen geflohen waren, drängten sich unterschiedslos heraus, um einen Blick auf ihr Prisma zu erhaschen.
    Er war seit einer Woche mit ihnen an Bord, und davor war er mit ihnen in Garriston gewesen. Es war nicht so, als hätte er sich verändert. Aber auch wenn er zuvor schon ein großer, wichtiger Mann gewesen war, so gehörte er jetzt irgendwie ihnen. Er war ihr Retter. Er hatte sich einem Meeresdämon entgegengestellt, und sein Sieg hatte Gavin überlebensgroß gemacht.
    Wenn Karris nicht mit eigenen Augen gesehen hätte, wie nah Gavin daran gewesen war, gefressen zu werden, wäre ihr vielleicht der zynische Gedanke gekommen, dass er die ganze Sache eigens arrangiert hatte.
    Die Menschen drängten sich auf Deck – alle Schiffe waren bis zum Bersten gefüllt worden, um die Flüchtlinge aus Garriston wegzubringen, bevor der Farbprinz in die Stadt einrückte –, und sie alle plapperten miteinander und wechselten Belanglosigkeiten wie: »Siehst du ihn? Sagt er irgendetwas?«
    Gavin schritt, seine Schwarzgardisten im Schlepptau, auf Karris zu. Genau wie Karris hielten auch die Schwarzgardisten nach möglichen Bedrohungen in der Menge Ausschau. Gavin sagte: »Verehrte Dame, würdet Ihr mir die Ehre erweisen, mich auf einen kleinen Ausflug zu begleiten?«
    Was tut man, wenn man nett darum gebeten wird, etwas zu tun, was tun zu können man bereits selbst alle Hebel in Bewegung gesetzt hatte? »Es wäre mir … ein Vergnügen«, antwortete Karris.
    »Hervorragend.« Gavin lächelte ohne jeden Anflug von Ironie. Sein Lächeln war schon irgendwie nett. Dieser Schleimer.
    Er hob die Hände. »Mein Volk!«, rief er. Er hatte die Stimme eines Gebieters, eines Redners und beherrschte den Trick, irgendwie so laut und deutlich zu sprechen, dass alle ihn verstehen konnten, ohne dass er den Eindruck erweckte zu schreien. »Mein Volk! Ich verlasse euch heute, aber nur für eine gewisse Zeit. Ich gehe, um einen Platz für euch zu schaffen. Ich gehe euch voraus. Und jetzt bitte ich euch, furchtlos und stark zu sein. Vor uns liegen Tage, die uns alle auf die Probe stellen werden. Und es liegen Arbeiten vor uns, die nur ihr leisten könnt, obwohl ich euch helfen werde, so gut ich kann. Ich übergebe General Danavis das Kommando. Er besitzt mein volles Vertrauen. Er wird euch ein guter Führer sein.«
    Er musste seine Worte sorgfältig wählen, und natürlich war er sich dessen nur allzu bewusst. Was er umschrieb, ohne es genau auszusprechen, war, dass er ihr Promachos war – der Titel, der einem Prisma während eines Krieges verliehen werden konnte. Doch konnte die Promachia nur auf Geheiß des gesamten Spektrums eingesetzt werden. Gavin war während des Krieges gegen seinen Bruder Promachos gewesen und innerhalb von

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