Die Blendende Klinge
Marken an die Generäle, ein weiteres Drittel an die Befehlshaber der Plündertrupps und übergab den Rest seiner Schatzmeisterin.
Die Marken sollten für besondere Leistungen vergeben werden – die Beschaffung großer Mengen von Proviant oder die Erfüllung besonders gefährlicher Aufträge. Mindestens die Hälfte der Hurenmarken musste an Sklaven ausgeteilt werden, und wenn Fälle von Korruption auftauchten, so dass Marken gehortet wurden oder nur an Günstlinge ausgegeben wurden, musste der dafür Verantwortliche dingfest gemacht und gehängt werden. Die Gefährtinnen hatten die erhaltenen Marken jeden Tag abzugeben und wurden entsprechend vergütet. Das letzte Drittel stand allen in der Armee zu einem festgesetzten Preis zum Kauf frei, wodurch die Aufwendungen für die anderen zum Teil kompensiert werden sollten.
Der Prinz erklärte: »Für die nächsten zwei Wochen will ich, dass ihr Wege findet, so viele dieser Marken wie möglich auszugeben, aber nicht immer wieder an die gleichen Männer. Gebt jedem eine Chance, sich eine zu verdienen. Danach schränken wir die Vergabe ein. Wir wollen diese Woche keine Unruhen und Vergewaltigungen, aber wir wollen uns auch nicht bis nächste Woche finanziell ruinieren.«
Am nächsten Tag schien ihr Heerlager um ein Drittel zusammengeschrumpft zu sein, nachdem die neu befreiten Männer in alle Richtungen auf freiwillige Missionen ausgeschwärmt waren.
Als sie sich Idoss näherten, wurden die Orte größer, und die Kriegsbeute fiel immer reichhaltiger aus. Niemand leistete ihnen Widerstand, bis sie fast die Vororte von Idoss selbst erreicht hatten. Doch hier gelangten sie zu der von einer steinernen Mauer umgebenen Stadt Ergion, wo es Bogenschützen und ein paar Wandler gab. Liv verstand nicht, was die Bewohner der Stadt denken mochten – Idoss, das vielleicht verteidigt werden könnte, war für eine Familie nur eine Tagesreise entfernt, eine Armee würde zwei Tage brauchen. Eine leicht zu bewältigende Strecke, wenn man um sein Leben floh. Aber aus irgendeinem Grund waren die Stadtältesten zu dem Schluss gelangt, eine Armee aus Sklaven wie Spreu zerstreuen zu können.
Der Ortsvorsteher spuckte vom Festungswall und instruierte seine Bogenschützen, auf den Farbprinzen zu schießen, sobald er zu Unterhandlungen herantrat. Die Wandler des Farbprinzen konnten die Pfeile leicht ablenken.
Während die Wandler ihnen Deckung gaben, gelang es den Pionieren des Prinzen – die Hälfte von ihnen war vormals Minenarbeiter gewesen – innerhalb einer Stunde Ladungen mit Schießpulver unter der Stadtmauer anzubringen. Sie sprengten ein Loch in die Mauer, und innerhalb einer weiteren Stunde stand die Stadt in Flammen.
Diesmal erteilte der Farbprinz den Befehl, kein Erbarmen walten zu lassen. An dieser Stadt würde ein Exempel statuiert werden. Er verlangte, dass lediglich fünfhundert Frauen und Kinder am Leben blieben.
Die Armee tobte und wütete, und Liv blieb im Feldlager. Eine Frau ohne Begleitung war in Ergion nicht sicher, und das galt selbst für sie – bekannt, wie sie war, und obwohl ihre Kleidung sie als reiche Wandlerin zu erkennen gab. Sie wollte ohnehin nicht mit ansehen, was die freigelassenen Männer ihren früheren Herren antaten.
In der Nacht wurde ein muskelbepackter Mann, dessen Status als ehemaliger Sklave nur an seinem eingeschnittenen Ohr erkennbar war, zum Zelt des Prinzen vorgelassen. Er verneigte sich und überreichte einen Sack. Einen Sack mit dem Kopf des Ortsvorstehers.
63
~Samila Sayeh~
Eins, Ultraviolett und Blau. Zwei, Grün. Drei, Orange. Vier, Gelb. Fünf, Rot und Infrarot.
Ich habe immer wieder diese Wachträume gehabt. Bevor der Krieg der Guiles Ru überzog, hatte meine kleine Lieblingscousine Meena einen ilytanischen Drachen geschenkt bekommen. Wo immer sie hinging, schaukelte das Spielzeug über ihr in der Luft, mit einer Schnur an ihr Handgelenk gebunden, und in den zwei Monaten, die sie es besaß, ist es kein einziges Mal in sich zusammengefallen. Überall ist Meena damit hingehüpft und hat dabei immer gesungen. Sieben Jahre alt war sie und doch schon seit zwei Jahren in der Ausbildung. Die Klarheit ihrer Stimme schlug die Soldaten und Höflinge gleichermaßen in ihren Bann.
Meena ist tot. Sie wäre inzwischen dreiundzwanzig Jahre alt. Sie wollte mit mir zur Chromeria gehen. Nein, habe ich gesagt. Natürlich hätte ihre Mutter sie nie gehen lassen, selbst wenn ich sie darum gebeten hätte. Höchstwahrscheinlich nicht. Ich habe
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